Werner Egk
Der Revisor
Komische Oper in Fünf Akten nach Nikolai Gogol
Douglas Nasrawi, Nikolai Galkin, Michael Dries, Janet Walker,
Cornelia Zink, Nikola David, Felipe Peiró, Markus Hauser,
Dimitri Ivashchenko, Juri Svatenko, Katerina Rauer,
Kathrin Koch, Gerhard Werlitz
Philharmonisches Orchester Augsburg
Hans Norbert Bihlmaier, Dirigent
Werner Egks komische Oper „Der Revisor“ wurde 1957
uraufgeführt. Auf brillante Weise verknappt Egk den
Text der Komödie von Nikolai Gogol, und kreiert
eine Opernpartitur, die der Spritzigkeit und Schärfe
des Originals in nichts nachsteht. Im Prinzip als
Nummernoper im traditionellen Sinn der opera buffa
komponiert, sprüht die Musik vor Einfällen, illustrativen
Momenten, lautmalerischen Effekten, Stilparodien
z.B. von Jazz und Kirchenmusik. Eine „russische“
Grundfärbung entsteht durch harmonische
Bezugnahmen auf russische folkloristische Musik.
Zum Umfeld und der Entstehungsgeschichte der
Oper wie auch zu Leben und Werk des Komponisten
finden sich auf diesem Album umfangreiche Informationen,
die als CD-ROM-Teil betrachtet werden können.
Neben biografischen Materialien gibt es auch
Beispiele der bildnerischen Arbeit Werner Egks sowie
Szenenfotos der Augsburger Inszenierung. Das Material
wird abgerundet durch zwei Radio-Interviews, die
Werner Egk dem Bayerischen Rundfunk 1956 und
1976 gegeben hat.
Werner Egk
(1901–1983)
Der Revisor
Komische Oper in fünf Akten nach Nikolai Gogol
Comic opera in five acts after Nikolai Gogol
Chlestakow | ........ | Douglas Nasrawi |
Ossip | ........ | Nikolai Galkin |
Stadthauptmann | ........ | Michael Dries |
Anna | ........ | Janet Walker |
Marja | ........ | Cornelia Zink |
Bobtschinskij | ........ | Nikola David |
Dobtschinskij | ........ | Felipe Peiró |
Kurator | ........ | Markus Hauser |
Richter | ........ | Dimitri Ivashchenko |
Postmeister | ........ | Juri Svatenko |
Eine junge Witwe | ........ | Katerina Rauer |
Die Frau des Schlossers | ........ | Kathrin Koch |
Mischka | ........ | Gerhard Werlitz |
Philharmonisches Orchester Augsburg
Hans Norbert Bihlmaier
conductor
Werner Egk: Der Revisor
Werner Egk, der bayerisch-schwäbische
Komponist, der zumeist in einem Atemzug
mit Carl Orff genannt wird, ist in erster
Linie als Opern- und Ballettkomponist hervorgetreten.
Mit erstaunlichem Geschick und literarischer
Versiertheit hat er sich unterschiedlichsten
Themen und dramatischen Dichtungen
zugewendet, die er für das Musiktheater
in
seine eigene Sprache übersetzte. Den Anfang in
einer Reihe von sieben großen Opernwerken
bildete der 1932 als Funkoper
für den Bayerischen
Rundfunk entstandene Columbus. Der
Durchbruch gelang Werner Egk aber nicht mit
diesem experimentellen, zwischen Oper und
Oratorium anzusiedelnden Werk, das auf das
neue Medium des Rundfunks zugeschnitten
worden war, sondern mit der 1935 in Frankfurt
uraufgeführten Oper Die Zaubergeige. Dieser
plastisch farbenreichen und zugleich heitervolkstümlichen
Spieloper folgte die Auseinandersetzung
mit der schillernden Figur des
Peer Gynt nach der Vorlage von Ibsen. Die
Berliner Uraufführung
des Peer Gynt blieb zunächst
ein singuläres Ereignis, da die Oper sehr
schnell den Missmut der nationalsozialistischen
Machthaber
erregte. Aufmerksam wurde man
auf das Werk daher erst wieder in den 50er
Jahren, als sich Egk bereits mit einer anderen
literarischen
Vorlage beschäftigte, der Countess
Cathleen von William Butler Yeats. Der moralisierende
Hintergrund
der von Yeats nacherzählten
und dramatisierten
irischen Sage regte Egk
zu seiner
bekenntnishaften und symbolträchtigen
Oper Irische Legende (1955) an, die er selbst
gerne als sein Hauptwerk bezeichnete. Im Gegensatz
zu den gleichnishaften
Bildern und
metaphysisch-visionären
Momenten dieses
Werkes wagt sich Egk mit seiner Adaption des
Revisor nach Gogol dann an einen Komödienstoff
der Weltliteratur. Gogols heute noch oft
gespielte Komödie entstand 1835 auf eine Anregung
seines Freundes Alexander Puschkin binnen
zweier Monate. Gogol hatte während seiner
Arbeit an dem umfangreichen Roman Die Toten
Seelen Puschkin aufgefordert, ihm doch ein
Sujet mit einer echt russischen Anekdote zu
schicken, die er in eine Komödie verwandeln
könne. Puschkin ist dieser Aufforderung offensichtlich
mit einem Bericht aus eigener Erfahrung
nachgekommen. Er selbst wurde nämlich
einmal
auf einer seiner Reisen in einer russischen
Kleinstadt aufgrund seines hauptstädtischen
Kostüms und seiner Petersburger
Physiognomie
für einen Revisor gehalten, die
damals zur verschärften Kontrolle der
provinziellen
Verwaltungsorgane
von Zar Nikolaus
I. eingesetzt wurden. Aber auch in der
zeitgenössischen russischen Literatur gab es
Vorbilder für die Irrtümer, die sich aus dem
vermuteten Rang eines Reisenden ableiteten.
So
hat z.B. die Komödie Der Fremde aus der
Hauptstadt (1827) des ukrainischen Schriftstellers
Grigorij Kwitka-Osnowjanenko große
Ähnlichkeit mit Gogols Komödie, nur mit dem
Unterschied, dass der „Fremde“ von Beginn der
Geschichte an ein bewusster Betrüger ist. Chlestakow
bei Gogol hingegen trägt nicht willentlich
zu seiner Verwechslung bei. Aber auch in
dem Lustspiel Die deutschen Kleinstädter des
Schriftstellers August von Kotzebue, das bald
ins Russische übersetzt wurde, konnte Gogol
Vorbilder für korrupte Vetternwirtschaft
in einem
provinziellen
Krähwinkel finden. Darüber
hinaus mag ihm die russische Gattung der Ständesatire
reiches
Material für die Lasterhaftigkeit,
Bestechlichkeit und Trunksucht der Beamtenschaft
geliefert haben. Ein herausragendes
Beispiel stellt in dieser Hinsicht Wassilij Kapnists
Komödie Die Schikane über die Zustände
an einem Provinzgericht dar.
Werner Egk schuf sich auf der Grundlage
des Gogolschen Textes ein Libretto, in dem die
krause Einfalls- und Personenfülle auf ein Minimum
konzentriert
wurde. Seine Arbeitsweise
schilderte Egk selbst einmal plastisch in einem
Gespräch: „Während eines Kuraufenthalts in
Wörishofen lernte ich das Stück zunächst auswendig.
Dann schrieb ich auf große Packpapierbögen,
die ich zum Entsetzen des Zimmermädchens an
Türen, Wände und Schränke heftete, jeweils mit
großen Buchstaben den Inhalt und die Personen
der einzelnen
Szenen. Dann, als ich solchermaßen
den Inhalt ganz überschaubar
gemacht hatte,
strich ich Gleichartiges aus, vereinfachte, reduzierte,
schmolz verwandte Charaktere
zusammen,
bis ich, nachdem die Papierkörbe
mehrmals
hatten
geleert werden müssen, ein klar gegliedertes Handlungsschema
vor mir hatte.“
Auf diese Weise reduzierte er das im Original
vierundzwanzig Personen umfassende Schauspiel
auf dreizehn Sänger, sowie einen Tänzer
und zwei Tänzerinnnen für das eingefügte
Traumballett, das den Revisor als Objekt der
Wunschträume von Frau und Tochter des Stadthauptmanns
darstellt. Auch die von Gogol im
vierten Akt seiner Komödie geschilderten Bestechungsszenen
fasst Egk in einer nur instrumental
untermalten, aber gestisch beredten Pantomime
zusammen. Trotzdem gelingt es Egk den
Humor und die Charakterzeichnung der
Gogolschen Figuren zu erhalten. In seinen Anmerkungen,
die der Komponist anlässlich
der Uraufführung
bei den Schwetzinger Festspielen 1957 verfasste,
gibt Egk dem Kern von Gogols „Tragikomödie“
auf menschliche Dummheit,
Korruption
und Amtsschlamperei einen Zug ins Allgemeinmenschliche:
„Hätten die Regierungsschreiber
recht gehabt und wäre das Werk Gogols nicht mehr
als eine politische Satire gewesen, so wäre er mit der
Gesellschaft, die es treffen sollte, untergegangen.
Es
überlebte aber seine Zeit und seine Kritiker, weil es
durch das Medium der Gestalten seiner Zeit den
Menschen selbst und seine immer gleichbleibenden,
von der Epoche unabhängigen Schwächen darstellt.“
Egk schien das Kostbarste an Gogols
Komödie zu sein, „dass ihre Gestalten nicht verlorene,
von uns abgetrennte, nur Gelächter und Ablehnung
herausfordernde
Wesen sind, sondern dass
sie gleichzeitig Verständnis, Mitleid, ja sogar Sympathie
erwecken“. Gerade in der Zeichnung der
Figur des Stadthauptmanns
wird dieses Komödienverständnis
Egks besonders deutlich,
wenn in seiner großen letzten Arie tragischhintergründige
Töne der Verzweiflung anklingen
und der Komödie eine Tiefenperspektive
geben.
Formal hat sich Egk bei der Komposition
des Revisor am für die Opera buffa typischen
Prinzip der Nummernoper mit durchkomponierten
und mit Seccorezitativen orientiert. Für
den Zuhörer kaum merklich ist die Oper in 22
Nummern gegliedert, die sich aus dem fließenden
Parlando zu Arien, Duetten, Quartetten
etc. verdichten.
Sein farbiger Orchestersatz ist
von kammermusikalischer,
ja geradezu „aperçuhafter“
Transparenz, und der Theaterpraktiker
Egk untermalt oft mit Sinn für Situationskomik
die einzelnen Szenen. So hört man aus
der streckenweise
illustrativen Partitur Türenknallen,
Ohrfeigen, jazzig verzerrte
Marschfetzen,
parodierte Kirchenmusik in Form eines
pathetischen
Chorals, wenn die Suppe aufgetragen
wird, ein Witwenlamento
und anderes
mehr heraus. Triumphe feiert die Parodie geradezu,
wenn der Pseudoweltmann
Chlestakow
die Damen im Hause mit einem original französischen
Chanson von Charles Simon Favart
„bezirzt“. Den Höhepunkt in der Abfolge von
kunstvollen Ensemblenummern stellt zweifelsohne
das A-capella-Nonett im fünften Akt dar.
Wesentlichstes Lebenselement der Musik ist ihr
immer vorwärtsdrängender, pulsierender
Rhythmus. Dabei können einprägsame
hämmernde
Wiederholungen à la Orff neben
spitzen Bläsereffekten
à la Stravinsky stehen.
Um ein spezifisches musikalisches Kolorit zu
erzeugen,
flicht Egk in seine Partitur natürlich
auch Anverwandlungen
russischer Folklore ein,
wobei er jedoch nur die typisch russische tetrachordische
Grundstruktur für seine melodischen
Gestalten
nachahmt: „Die beabsichtigte Beziehung
zur russischen Folklore wurde durch die
häufige Anwendung einer modulationslosen tetrachordischen
Melodik mit der charakteristischen,
aus zwei aneinander gehängten Tetrachorden
bestehenden
siebentönigen
Leiter hergestellt,
aber
auch durch die häufige Verwendung russischer
Lied- und Tanzformen …“ (Egk). Das Zitieren
russischer Originalmelodien hat Egk hingegen
bis auf eine Ausnahme vermieden. Lediglich
das
von Marja gesungene Volkslied „Stand ein
Birkenbaum
auf dem Felde“ ist ein Originalzitat,
das schon Tschaikowsky in seiner 4. Sinfonie
verwendete.
Die Uraufführung des Revisor, der eine
Auftragskomposition
des Südwestfunks für die
Schwetzinger Festspiele war, fand am 5. Mai
1957 im dortigen Rokokotheater in einer Inszenierung
Günther Rennerts und unter der musikalischen
Leitung des Komponisten statt. Schon
bald folgten Inszenierungen
des Ensemblestücks
an vielen größeren und kleineren
Bühnen.
Es wurde als ein Beweis genommen,
dass
die oftmals totgesagte Buffa und heitere Spieloper
auch im 20. Jahrhundert ihren Platz hat.
Musikalisch betrachtet, darf man sogar vermuten,
dass ein Werk wie Hans Werner Henzes
Oper Der junge Lord (1965) nicht unwesentlich
von Egks Gestaltungsprinzipien
beeinflusst
wurde. Die Vielfalt der musikalischen
Tendenzen
auf den Bühnen des Musiktheaters in den
ausgehenden fünfziger Jahren lässt sich deutlich
an Werken ablesen, die ebenfalls 1957 uraufgeführt
wurden. Da stand Giselher Klebes Oper
Die Räuber neben Wolfgang Fortners Bluthochzeit
und Paul Hindemiths
Harmonie der Welt.
In Zürich ging die szenische Erstaufführung
von Schönbergs Moses und Aron über die Bühne,
und im selben Jahre hatte Rolf Liebermanns
Neufassung seiner Schule der Frauen Premiere.
Vor diesem Hintergrund kann Werner Egk mit
seiner musikalischen
Komödie vom Revisor
durchaus einen eigenständigen Platz innerhalb
der Entwicklung
des Musiktheaters nach 1945
beanspruchen.
Thomas Weitzel
Die Handlung
1. Akt
„Die Lage ist ernst, es kommt ein Revisor“, diese
Mitteilung eines Freundes löst starke Besorgnis
im Hause des Stadthauptmanns eines russischen
Provinznestes
aus. Die Verunsicherung
bei den
Honoratioren der Stadt ist umso größer, als der
angekündigte Beamte inkognito, d.h. als Privatperson
in Zivil reisen solle, um den Bezirk und
die Stadt in Augenschein zu nehmen. Da jeder
Dreck am Stecken hat, sind sich der Stadthauptmann,
der Kurator der Armenanstalt und
der Richter einig, dass umgehend Maßnahmen
getroffen werden müssen. Der Postmeister wird
beauftragt, die ein- und auslaufenden
Briefe
„ein wenig“ zu öffnen, um denunzierende Anzeigen
gegen die Honoratioren abzufangen. Da
stürzen Bobtschinskij und Dobtschinskij herein
und berichten, im Gasthaus einen jungen Herrn
gesehen zu haben, der laut Auskunft des Wirts
ein Beamter aus Petersburg sei. Er heiße Chlestakow
und logiere schon seit drei Wochen bei
ihm, bezahle aber nicht. Aufgrund seines sonderbaren
Auftretens vermuten Dobtschinskij
und Bobtschinskij, dass es sich um den Revisor
handele. Der Stadthauptmann
stellt mit Erschrecken
fest, dass in den letzten drei Wochen
die Sträflinge keine Verpflegung bekommen
hätten, die Frau des Sergeanten
eine Prügelstrafe
erhalten habe und nichts als Besoffene und
Dreck den Anblick des Ortes verunstalteten. Er
beschließt nun selbst den Gasthof mit Dobtschinskij
aufzusuchen
und gibt Anweisungen,
die Armenanstalt wie das Gericht in einen ordnungsgemäßen
Zustand zu bringen sowie die
Straßen bis zum Wirtshaus zu fegen.
Kaum sind alle aufgebrochen, treten Anna,
die Frau des Stadthauptmanns, und ihre Tochter
Marja ins Zimmer. Anna will Näheres über
den Revisor erfahren und schickt ihrem davoneilenden
Mann die Magd Awdotja hinterher.
Sie soll im Gasthof durchs Fenster schauen und
sich Augen, Bart und Nase des Fremden einprägen,
um ihr dann berichten zu können. Marja
hingegen weist sie zurecht, ihre Zeit unnütz vor
dem Spiegel zu vergeuden, da der Postmeister
ohnehin nichts von ihr wissen wolle.
2. Akt
Im Zimmer eines schäbigen Gasthofs beklagt
der Diener Ossip, dass sein Herr Chlestakow in
der Welt herumfahre, sein Geld verprasse und
sich von jedem Nächstbesten ausnehmen lasse.
Nun säßen beide im Gasthof fest und kämen
vor Hunger fast um, weil vom Vater
Chlestakows keine Geldanweisungen
mehr geschickt
würden. Der Wirt drohe ihnen sogar mit der
Polizei, falls sie ihre Schulden nicht bezahlen.
Auf Bitten Ossips und die Zusicherung, dass
man die Rechnung später begleichen werde,
schickt der Wirt zum letzten Mal ein Essen aufs
Zimmer. Das zweigängige „Menu“ veranlasst
Chlestakow zu einer Schimpftirade
über die
stinkende Wassersuppe, in der Hühnerfedern
schwimmen, und über den steinharten
Braten.
Da kündigt Ossip die Polizei an und Chlestakow
vermutet, vom Wirt angezeigt worden zu
sein. Der Stadthauptmann tritt ein, und Chlestakow,
der glaubt, man wolle ihn verhaften,
beklagt sich über das für einen Beamten aus
Petersburg unstandesgemäße Quartier und
droht mit dem Minister. Eingeschüchtert glaubt
der Stadthauptmann, dass der „Revisor“ schon
von den Missständen im Ort erfahren habe und
fleht um Gnade für sich und seine Familie.
Schließlich versucht er ihn mit 400 Rubel zu
schmieren und lädt ihn ein, in seinem Haus zu
wohnen. Rasch wird auf der Rechnung des
Wirts eine Nachricht für seine Frau Anna verfasst,
bevor sie zusammen zur Besichtigung
der
Armenanstalt aufbrechen.
3. Akt
Anna wartet zu Hause mit Marja auf ihren
Mann und die Neuigkeiten, die er über den
Fremden zu berichten weiß. Da erscheint Dobtschinskij,
der die Mitteilung des Stadthauptmanns
überbringt, und der sogleich mit allerlei
Fragen nach Aussehen und Rang des Beamten
überschüttet wird. Sofort wird alles für die Ankunft
des hohen Gastes gerichtet, wobei es zu
einer Auseinandersetzung zwischen
Mutter und
Tochter kommt, bis Marja mit einer schallenden
Ohrfeige zurechtgewiesen wird. Zunächst
trifft Ossip mit dem Koffer seines Herrn ein
und erkundigt sich sogleich nach dem Essen;
gefolgt wird er von Chlestakow, dem Stadthauptmann
und den übrigen. Chlestakow, der die
ihm zugewiesene Rolle des Ehrengastes gerne
ausfüllt, zeigt sich zufrieden mit dem Zustand
der Armenanstalt,
insbesondere aber mit dem
vorzüglichen Kabeljaufrühstück, das sie dort
eingenommen haben.
Als ihm der Stadthauptmann seine Frau
und seine Tochter vorstellt, beginnt er sogleich
mit Anna zu flirten und gibt sich mit ein paar
französischen
Höflichkeitsfloskeln
als Mann
von Welt. Während er immer mehr dem Wein
zuspricht, verliert er sich zunehmend in Überheblichkeiten
über sein vermeintliches
Ansehen
und seinen Einfluss in allen gesellschaftlichen
Kreisen St. Petersburgs von der Literatur bis zur
hohen Politik. Schließlich bricht er betrunken
zusammen und wird zu Bett gebracht. Während
sich die Herren zurückziehen, nicken Anna und
Marja ein und geben sich ihren Träumen hin, in
denen Chlestakow das Objekt ihrer geheimen
Wünsche ist: Marja sieht sich von Chlestakow
umworben und als Braut an seiner Seite; Annas
Flirt hingegen gipfelt in einem Sturm der
Leidenschaften,
dem sie sich vergeblich zu verweigern
sucht.
Der Stadthauptmann kehrt zurück und
fragt Ossip nach den Gewohnheiten seines
Herrn aus. Da dieser anscheinend gerne in die
Oper geht, beschließt Marja ihm vorzusingen
und will das Volkslied „Die Birke“ üben. Indessen
gibt der Stadthauptmann
Anweisungen,
den Platz vor seinem Haus von unliebsamen
Beschwerdeführern
und Stänkerern freizuhalten.
4. Akt
Die Honoratioren beraten darüber, wie sie den
„Revisor“ gänzlich für sich gewinnen können,
und beschließen, ihn zu schmieren. Als Chlestakow
aufwacht, treten der Richter, der Postmeister,
der Kurator sowie Dobtschinskij und
Bobtschinskij an ihn heran und lassen ihm
bündelweise Banknoten zufallen. Chlestakow
nimmt alles entgegen und will seinem Freund
Christian in Petersburg von seinem Abenteuer
berichten. Ossip, der den Brief zur Post bringen
soll, drängt zur Abreise, bevor der Schwindel
auffliege und der echte Revisor einträfe. Als eilige
Regierungssache wird ein Wagen bestellt,
während sich die Witwe und die Schlossersfrau
Zutritt verschaffen, um sich über den Stadthauptmann
und seine Gesetzesverstöße zu beklagen.
Zum Beweis für die Prügelstrafe zeigt
die Witwe ihm sogar ihr entblößtes Hinterteil.
Als Ossip mit einem Korb von Beschwerdebriefen
von der Post zurückkommt,
wird es
Chlestakow zuviel. Er lässt die Frauen hinauswerfen
und den Korb durchs Fenster entsorgen.
Plötzlich kommt Marja, und Chlestakow
macht ihr mit einem französischen Chanson
den Hof. Als sich beide näher kommen, fährt
Anna dazwischen, die nun ihrerseits von Chlestakow
umworben wird. Nun ist es Marja, die
das Liebesidyll stört. Kurz entschlossen rettet
Chlestakow die Situation, indem er um Marjas
Hand bei der Mutter anhält. Der Stadthauptmann
stürzt aufgebracht herein und beteuert
seine Unschuld am Schickal der Schlossersfrau
und der Witwe, die zwei stadtbekannte Lügnerinnen
seien. Überrascht ist er von der Entwicklung,
dass er den Lebensbund seiner Tochter
segnen soll. Unter dem Vorwand, vor der Hochzeit
noch rasch einen alten, reichen Erbonkel
besuchen zu müssen, tritt Chlestakow seine
Abreise an, nicht ohne zuvor noch ein wenig
Reisegeld vom Stadthauptmann einzustecken.
5. Akt
Die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit
hat sich in Windeseile verbreitet. Alles hat
sich im Haus des Stadthauptmanns versammelt,
um den Eltern und der Braut zu der guten
Partie zu gratulieren.
Plötzlich bemerken sie,
dass der Bräutigam fehlt. Der Stadthauptmann
verkündet großmächtig, dass Chlestakow wegen
dringender Erbschaftsangelegenheiten
kurzfristig verreist sei. Da meldet sich der Postmeister
mit einem Brief Chlestakows, den er
„aus Vorsicht“ geöffnet habe. Zweifelsfrei belegt
das Schreiben, dass dieser gar kein Revisor war.
Darüber hinaus stellt der Brief in schonungsloser
Offenheit die Dummheit und Borniertheit
der Provinzgesellschaft bloß. Der Stadthauptmann
sieht sich zum ersten Mal in seiner
30-jährigen Amtszeit zum Narren gehalten.
Schließlich fallen alle über Bobtschinskij und
Dobtschinskij her, die als erste die Aufmerksamkeit
auf den vermeintlichen Revisor gelenkt
haben. Da erscheint der Diener
Mischka, der
die Nachricht verkündet, dass ein mit Ordre
legitimierter Beamter aus Petersburg eingetroffen
sei und sie alle zu sehen wünsche …