Xavier Montsalvatge: Cinco canciones negras (1945)
C. Villiers Stanford: Eight Songs from Spanish Gipsy
Spanish Songs by Gustavino, Nin, Obradors, Tchaikovsky,
Glinka, Shostakovich, Minkov, Dargomischsky, Bizet,
Delibes, Ravel, Massenet, Rossini, Donizetti, di Chiara &
Bernstein
Helmut Deutsch, piano
Stella Grigorian, mezzosoprano
Stella Grigorians Lied-Rezital vereint
Spanien-Reminiszenzen aus verschiedenen Ländern
hre Karriere begann im Ensemble der Wiener Staatsoper,
seit 2006 ist Stella Grigorian im Ensemble der
Oper Frankfurt. Sie gastierte aber auch schon an der
Hamburgischen Staatsoper, am Opernhaus Zürich, am
Aalto-Theater Essen und bei den Salzburger Festspielen.
Der steile Karriereweg der gebürtigen Georgierin
an bedeutenden Opernhäusern sollte aber nicht über
ihre Affinität zum Liedgesang hinwegtäuschen. Eine
gewisse Natürlichkeit bei aller notwendiger Prononciertheit
im Operngesang gehört zu den persönlichen
Markenzeichen der Mezzosopranistin. Der Liedgesang
spielt deshalb in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle:
„Wenn ich Lieder singe, muss ich auf kleinstem Raum zu
Nuancierungen fähig sein, die unmittelbar zu Herzen
gehen –, dies wirkt sich sehr belebend auf den Operngesang
aus, der von größeren Spannungsbögen lebt.“
I am so easily assimilated –
Stela Grigorian
und ihr „Suddenly Spanish“
I am so easily assimilated“ singt die „Old
Lady“ in Leonard Bernsteins Candide, ein
Motto, das uneingeschränkt auch über dem
bisherigen Lebensweg einer „Young Lady“
stehen kann.

Noch in der damaligen UdSSR als Armenierin
in der georgischen Hauptstadt Tiflis
geboren, wuchs Stella Grigorian bereits mit
drei Sprachen auf – Armenisch, Georgisch
und Russisch. Das stellt für jemanden, der in
Georgien geboren ist, keine Ungewöhnlichkeit
dar, auch wenn es selbst dort keineswegs
selbstverständlich ist. Jenseits der georgischen
Grenzen hingegen mutet es erstaunlich
an, nicht zuletzt wenn man bedenkt, dass die
drei Sprachen miteinander nichts gemein
haben. Es nimmt daher nicht wunder, dass
Stella Grigorian sich entschloss, nach ihrer
Schulausbildung in Tiflis Sprachen zu studieren:
Französisch und Spanisch. Auch die
musikalische Entwicklung setzte bereits früh,
mit dem fünften Lebensjahr ein. Für ihre alleinerziehende
Mutter dreier Kinder war es
gewiss nicht selbstverständlich, die jüngste
Tochter zum Klavierunterricht zu schicken
und sie dazu anzuhalten, dieses Studium bis
zum Abschluss ernsthaft zu betreiben. Wann
Stella Grigorian hingegen zu singen begann,
lässt sich so einfach nicht festmachen. Denn
das Singen gehört bis heute auf ganz natürliche
Weise zum georgischen Alltag. Mehrfach
fiel bei manchen Gelegenheiten die Stimme
der jungen Dame auf. Doch erst nach dem
Schulabschluss setzte eine professionelle Ausbildung
ein. Parallel zu den Sprachstudien
intensivierten sich die Stimmausbildung,
wobei langsam der Gedanke aufkam, als
Opernsängerin zu reüssieren. Nach den politischen
Veränderungen der Gorbatschow-Ära
kam Stella Grigorian durch Zufall – sie
sang in den Kirchen von Tiflis, um Geld zu
verdienen – mit der „Communauté de Taizé“
des Frère Roger nach Wien. Dieser Ausflug
sollte für die angehende Künstlerin lebensentscheidend
werden. In Wien, setzte sich
Grigorian in den Kopf, würde sie ihre Karriere
beginnen. Mit einer guten Mischung
aus Naivität, einer für sie typischen Portion
Unnachgiebigkeit und viel Glück in Form
von Menschen, die sie in Wien

kennenlernte und die ihr helfen wollten, ihren Traum
umzusetzen, gelangte sie tatsächlich ans Ziel
ihrer Wünsche. Ein Vorsingen im damaligen
Wiener „Herbert von Karajan Centrum“ verschaffte
ihr nicht nur ein Stipendium, sondern
ihr erstes professionelles Engagement:
Am 16. O ktober 1996 debütierte sie als „Hirt“
am Beginn des 3. Aktes von Puccinis Tosca
an der Wiener Staatsoper. In diesem Haus
sollte sie dann auch die nächsten zehn Jahre
den Mittelpunkt ihres künstlerischen Lebens
finden. Zuerst als „Karajan-Stipendiatin“,
später als Ensemblemitglied, begann sie mit
kleinen und kleinsten Partien, entwickelte
schrittweise ihr Repertoire und gleichzeitig
ihre stimmlichen Möglichkeiten. In einem
Repertoirehaus wie der Wiener Staatsoper
anzufangen, das bedeutet, ohne viel Proben
in zahlreiche Rollen des riesigen Repertoires
einsteigen und sich täglich auf der Bühne neben
den bedeutendsten Sängern der Opernwelt
zu beweisen. In vielerlei Hinsicht sind
Nervenstärke und Flexibilität gefragt. Doch
bildet ein solcher „Sprung ins kalte Wasser“
für die spätere Karriere ein unschätzbares
Fundament. Stella Grigorian wusste zu profitieren
von der Chance, mit berühmten Kollegen
auf der Bühne zu stehen. Sie war schnell
beliebt, kannte keine Scheu, um Tipps, Adressen
von Lehrern oder auch Unterrichtsstunden
zu erbitten. Auf diese Weise entwickelte
sich ihr technisches Vermögen parallel
mit den Aufgaben, bald konnte man sie auch
in größeren Aufgaben wie den Stephano in
Gounods Romeo et Juliette oder als Marzelline
in einer von Riccardo Muti geleiteten
Aufführungsserie von Mozarts Figaro
hören,

in der sie auch die gefürchtete, sonst meist
gestrichene Arie im vierten Akt mit Bravour
bewältigte. Schließlich sang sie auch des öfteren
die Rosina in Rossinis Barbier von Sevilla.
Spieltemperament und Elan bescherten
ihr großen Erfolg bei Publikum und Presse.
In den wenigen Urlaubsmöglichkeiten, die
ein solcher Repertoirebetrieb einem jungen
Ensemblemitglied bietet (die Wiener Staatsoper
spielt an 300 Abenden im Jahr über 50
verschiedenen Opern) konnte Stella Grigorian,
inzwischen österreichische Staatsbürgerin
geworden, doch an anderen Häusern jenseits
von Wien ihr Repertoire um große Partien
erweitern. So sang sie, um nur einige wenige
bedeutende Rollen zu erwähnen, unter anderem
die Charlotte in Massenets Werther, Rossinis
Italiana, Donizettis Anna Bolena und
schließlich Bizets Carmen, die bald zu einer
Art Markenzeichen für sie werden sollte.
Wer an einem so bedeutendem Haus wie
der Wiener Staatsoper von der Pike auf beginnt,
stößt irgendwann auch an die Grenzen
der Entwicklungsmöglichkeiten. So war
es für Stella Grigorian ein Glück, dass der
Frankfurter Opernintendant und Talentfinder
Bernd Löbe ihr im Februar 2006 nach
einer Vorstellung des Barbiers von Sevilla
anbot, mit Beginn der Saison 2006/7 ins
Ensemble der wieder aufstrebenden Frankfurter
Oper zu wechseln – als Sängerin des
ersten Fachs! Stella Grigorian griff sofort zu.
Die Erfahrung, die sie in den Jahren an der
Wiener Staatsoper gemacht hatte, sollte ihr
sofort zugute kommen. Anstatt, wie geplant,
im Spätherbst 2006 mit einer wohlgeprobten
Aufführung von Mozarts Titus in der Rolle
des Sextus zu debütieren, fiel unmittelbar
nach Saisonbeginn in Händels Agrippina
die Mezzosopranistin aus, die die Rolle des
Nerone verkörpern sollte. Ohne zu zögern,
lernte Grigorian innerhalb von fünf Tagen
nicht nur die unglaublich anspruchsvolle
und lange Rolle – ohne Sängerkollegen und
Orchester, nur vom Studienleiter begleitet.
Sie studierte zudem, vom Regieassistenten
angewiesen, auf einer Probebühne auch die
äußerst komplizierte Regie ein und erlebte
damit einen triumphalen Einstand in ihrem
neuen Stammhaus. In Frankfurt folgten nun
innerhalb eines halben Jahres drei weitere
Rollendebüts. Neben dem schon erwähnten
Sextus in einer weiteren Wiederaufnahme
Rossinis Cenerentola sowie, in einer Neuproduktion,
die Medea in Cavallis selten gespielter
Oper Jasone.
So spannt sich heute Stella Grigorians
breites Repertoire vom Frühbarock über
Händel und sämtliche Mozartschen Mezzosopran-
Partien bis zu Rossini, Donizetti,
Massenet, Gounod und Bizet. Dazu Tschaikowski
und Rollen des 20. Jahrhunderts in
Opern von Janacek, Enesco oder Schönberg.
Die Stimme, vom Umfang tatsächlich ein
klassischer Mezzosopran, der sich gleichermaßen
durch virtuose Koloraturen wie auch
dramatische Durchschlagskraft auszeichnet,
bewältigt sowohl hohe Lagen, die eigentlich
schon dem Sopran zugerechnet werden, als
auch Rollen wie die Neris in Cherubinis
Medee,
die in der Regel wiederum von Altistinnen
gesungen werden.
Mit dem Liedgesang war die Künstlerin
seit den Jugendtagen in ihrer Heimat Georgien
konfrontiert. Es war aber die Begegnung
in Frankfurt, durch die diese Beschäftigung
konkretere Züge annahm. Bernd Löbe hatte
die wunderbare Idee, neben seinem hochrangig
besetzten Recital-Zyklus in der Oper auch
die begabtesten Mitglieder seines Ensembles
im Liedgesang zu fordern und zu fördern. So

initiierte er mit dem weltbekannten Liedbegleiter
und Pädagogen Helmut Deutsch ein
Projekt, das sich „Deutschstunde“ nannte
und wo der Pianist mehrere Tage lang mit
vier Mitgliedern des Frankfurter Ensembles
an Liedern arbeitete. Das Ergebnis wurde
in einem Konzert auf der großen Bühne
des Opernhauses präsentiert. So kam es zur
ersten Begegnung von Stella Grigorian und
Helmut Deutsch, in unmittelbarer Folge
davon auch zum Projekt der vorliegenden
CD, die nach längeren Vorarbeiten im ersten
Halbjahr 2008 in Franz-Liszt-Zentrum in
Raiding/Burgenland entstand.
Die Auswahl von europäischen Liedern die
sich mit Spanien, spanischer Sprache, Kultur,
Kolorit und manchmal auch dem spanischen
Klischee in der Musik beschäftigen,
kommt sowohl dem Temperament als auch
der sprachlichen Vielseitigkeit der Künstlerin
entgegen. Ausgespart wurden nach langen
Überlegungen auf dieser CD Lieder des deutschen
Repertoires, von denen es natürlich zu
diesem Thema zahlreiche Beispiele gibt, die
auch oft von verschiedensten Interpreten
aufgenommen wurden. Man braucht nur
an Hugo Wolfs Spanisches Liederbuch oder
Schumanns Spanisches Liederspiel zu denken.
Doch ebenso findet man einschlägige Werke
u.a. bei Brahms, Mahler oder Kurt Weill.
Stella Grigorian und Helmut Deutsch
möchten auf dieser CD neben Bekanntem
auch Lieder vorstellen, die bisher nicht sehr
oft oder auch äußerst selten aufgenommen
wurden. Gleich die erste Liedgruppe, die sich
dem „Ausgangsland“ Spanien widmet, sind
die Cinco Canciones Negras des äußerst vielseitigen
katalanischen Komponisten Xavier
Montsalvatge, der nicht nur in Spanien zu
den bekannteren Komponisten des 20. Jahrhunderts
zählt. Montsalvatge interessierte sich
nicht nur für die Idiomatik und Eigenart seiner
spanischen (oder engeren katalanischen)
Heimat sondern auch für die Volksmusik des
karibischen Raums. Der 1945 entstandene
Liedzyklus eroberte sowohl in der Klavier- als
auch in der Orchesterversion rasch das Repertoire
insbesondere spanischer LiedsängerInnen.
Im Verhältnis zu seiner Popularität, die
er in den Konzertsälen genießt, wurde er gar
nicht so häufig auf Tonträger festgehalten.
Carlos Gustavinos Werke zählen vom
musikalischen Idiom und der Sprache eben
falls zum spanischen Liedgut, obwohl der
Komponist Argentinier war. Er schrieb fast
ausschließlich für Stimme und Klavier. La
Rosa y el sauce gehört unter seinen an die
200 Liedern wohl zu den populärsten.
Joaquín Nin wurde in Kuba geboren,
verbrachte aber sein ganzes Leben in Spanien.
Er war ein hervorragender Pianist und
ein engagierter Sammler des Spanischen
Volksliedes. Granadina entstammt aus der
Sammlung 20 Cantos populares espagñoles.
Nin versah die Volkslieder mit brillanten
Klavierbegleitungen – und ausführlichen
Vortragshinweisen.
Das Lied El Vito existiert zwar ebenfalls
in einer Vertonung von Nin – die hier
vorliegende
Version stammt jedoch aus der
Feder seines katalanischen Landsmanns
Fernando J. Obradors. In dem bei Gollanz
1992 erschienenen Buch The Spanish Song
Compagnion
wird „El Vito“ als „ein Tanz voll
Feuer“
beschrieben, „vorgeführt in einer Taverne
von einer Frau, die tanzend auf einem Tisch
vor einer Zuhörerschaft von Stierkämpfern
singt“. Was immer man sich bei diesem Lied
vorstellen mag: die anfeuernde Flamenco-
Begleitung verfehlt niemals ihre Wirkung.
Mit der nächsten Liedgruppe gelangen wir
im weiteren Sinn in die Heimat der Interpretin.
Auch wenn sie, wie schon in der Einleitung
erwähnt, Armenisch und Georgisch zu
ihren Muttersprachen zählt, das Russische
war doch in allen Bereichen der ehemaligen
Sowjetunion die eigentliche Umgangssprache.
In diesem Sinne bildet das reiche russische
Musikschaffen samt den zugrunde liegenden,
nicht minder wertvollen literarischen Vorlagen
– sehr häufig sind Texte von Puschkin oder anderen
bedeutenden Dichtern – aufs selbstverständlichste
einen festen Bestandteil in Stella
Grigorians Liederabenden. Auch in Russland
übte das spanische Kolorit zu allen Zeiten auf
Dichter und Komponisten gleichermaßen
eine faszinierende Wirkung aus. Wir begegnen
ihm bereits beim oft so genannten „Vater der
russischen Musik“, Michail Glinka, gleich
mit drei Beispielen: Auf den Text des mit ihm
befreundeten Schriftstellers Nestor Kukolnik
komponierte Ginka seinen Bolero, der gegen
die rhythmisch prägnante Klavierstimme reizvollen
Synkopen der Gesangslinie setzt. Zwei
Lieder gestaltete der Komponist nach Texten
von Alexander Puschkin: Nächtlicher Sephyr
ist ein Stimmungsbild, das auch von seinem
Zeitgenossen Alexander Dargomischki vertont
wurde. Ich bin hier, Iñesilla stellt, wie
das erste Puschkin-Lied eine nächtliche Serenade
vor dem Balkon einer schönen Spanierin
dar. Im Gegensatz zum weitgereisten Glinka,
der tatsächlich in Spanien weilte, drückt sich
in den Versen Puschkins die Sehnsucht nach
einem imaginären Süden aus, den der Dichter
in natura nie sehen sollte.
Aus dem Bühnenstück Don Juan von
Aleksej K. Tolstoi (1817–1875) wählte Peter I.
Tschaikowski die Textvorlage für seine Serenade
des Don Juan.
Die beiden Lieder von Dimitri Schostakowitsch
stammen aus dem Liedzyklus
Spanische Lieder op. 100. Auch er konnte
nicht wie Glinka das spanische Kolorit der
Musik vor Ort studieren, sondern erhielt von
einer Bekannten das musikalische Material.
So entstanden diese reizvollen spanischen
Gesänge gleichsam als spanische Musik mit
russischem Hintergrund.
Der jüngste und letzte Komponist dieser
Liedgruppe ist der vor allem als Filmkomponist
bekannt gewordene Mark Minkov. Sein
Lied Landschaftsbild basiert auf einem Text
von Federico García Lorca, dessen Reiz nicht
zuletzt darin besteht, dass die Singstimme in
weiten lyrischen Bögen über einer ruhig sich
entwickelnden Harmonik der Klavierbegleitung
schwingt.
Mit der nächsten Liedgruppe kommen
wir zu einem Land, wo das Spanische in der
Kunst vergleichsweise wenig Niederschlag
gefunden hat, und zu einem Komponisten,
der in Mitteleuropa weitgehend unbekannt
geblieben ist: Charles Villiers Stanford
schrieb seine Eight Songs from „The Spanish
Gipsy“ nach einem dramatischen Prosagedicht
der englischen Schriftstellerin George
Eliot. In diesem Werk, das 1868 erschien und
das insgesamt auch 14 Lieder enthält, von
denen Stanford letztlich zwischen 1872 und
1875 acht in seinen Zyklus aufnahm, geht es
um die Geschichte des Zigeunermädchens
Fedalma, das ohne Wissen um ihre Herkunft
in einer noblen spanischen Familie aufwuchs.
Am Abend ihrer Hochzeit mit Don Silva erhebt
ihr tatsächlicher Vater Anspruch auf sie.
Fedalma entdeckt ihre wahre Herkunft, gerät
in große Konflikte und entscheidet sich letztlich
für ihre Wurzeln und wird zur Königin
ihres Volkes. Stanfords Herkunft aus der Tradition
des deutschen Liedes ist ebenso unverkennbar
wie seine Hinwendung zur Tonsprache
zwischen Schumann und Liszt. Trotzdem
erweist sich dieses „Opus 1“ des Komponisten
als Liedzyklus von großem eigenem Reiz
und Erfindungsgabe, der es verdienen würde
(neben vielen anderen seiner Werke), bei uns
bekannter zu sein. Bisher existiert von diesem
Liedzyklus nach unserem Wissen lediglich
eine einzige Aufnahme. Die vorliegende
ist in jedem Fall die erste mit Frauenstimme.
Die nächste Liedgruppe ist der französischen
Musik gewidmet. Der große und
nachhaltige Einfluss des spanischen Kolorits
auf die französischen Komponisten ist
hinlänglich bekannt und hat natürlich auch
im Liedschaffen reichen Niederschlag
gefunden. Beispiele von vier der bekanntesten
französischen Komponisten legen auf dieser
Aufnahme davon Zeugnis ab. Léo Delibes
verwendet ein Gedicht Alfred de Mussets:
Le Filles de Cadix reizt den Dichter wie den
Komponisten zur Verwendung feiner Ironie,
geschmackvoll sparsam mit Lokalkolorit verbrämt.
George Bizets Carmen wurde nachgerade
zum Inbegriff des Spanischen auf der Opernbühne
und in der Musik überhaupt. Obwohl
Bizet über 40 Lieder schrieb, finden sich seine
wichtigsten musikalischen Äußerungen in
seinen Opern. Wer diese kennt, wird auch in
dem äußerst reizvollen Ouvre ton coeur in
Form eines Bolero auf einen Text von Louis
Delâtre unschwer die Handschrift des geborenen
Bühnenkomponisten wiedererkennen.
Massenets Nuit d´éspagne (Spanische
Nacht) auf den Text des Librettisten seiner
Thais, Louis Gallet, ist im Grunde ein klassisches
Liebeslied, dessen spanisches Kolorit dezent
in der Klavierbegleitung eingefügt wird.
Das letzte Lied dieser Gruppe stammt von
Maurice Ravel, dessen Begeisterung für spanisches
Musikkolorit wohl ebenso legendär ist
wie Bizets Carmen – erwähnt seien nur seine
Rapsodie éspagnole, Alborada de Gracioso und
natürlich vor allem sein Boléro, eines der bekanntesten
Stücke des internationalen Musikrepertoires
überhaupt. Unter Ravels Sieben
Volksliedern findet sich als Nr. 1 auch ein Spanisches
Volkslied, das von manchen Sängerinnen
in Spanisch, hier von Stella Grigorian in
der französischen Version interpretiert wird.
Die letzte Liedgruppe führt uns nach Italien.
Selbst in diesem „Mutterland der Musik“
konnten sich so berühmte Komponisten
wie Rossini oder Donizetti nicht ganz dem
Reiz spanischer Rhythmik und spanischen
Temperaments entziehen. Streng genommen,
sind wir bei unserem Liedprogramm
nun bei den Encores angekommen. Rossinis
Canzonetta spagnuola gehört zu den beliebten
Zugaben bei Liederabenden und Konzerten.
In den drei Strophen wird die von spanischem
Rhythmus geprägte Melodie immer
schneller wiederholt, die Verzierungen trotz
des sich steigernden Tempos immer weiter
ausgedehnt – ein musikalischer Spaß Rossinis
für die Interpretin wie für das Publikum.
Donizettis L’amante spagnuolo ist ebenso
ein reizvoller Verschnitt von italienischer
Virtuosität und spanischem Temperament.
Vincenzo di Chiaras populäre Melodien
finden sich auch immer wieder auf Aufnahmen
berühmter Sänger der Vergangenheit
wie von Rosa Ponselle, Beniamino Gigli oder
Mario Lanza. La Spagnola darf man wohl
auch als autobiographischen Scherz der Interpretin
verstehen, wenn man die ersten
Verse als Wortspiel begreift: Di Spagna sono
la bella – regina son dell’amor. Tutti mi dicono
stella…
Das eigentliche Encore unserer Aufnahme
hingegen I am easily assimilated stammt
aus Leonard Bernsteins umwerfendem
Bühnenwerk Candide. Es hat nicht nur der
vorliegenden CD den Titel gegeben, sondern
ist nicht ohne Ironie auch aus persönlichen
Gründen von der Interpretin an den Schluss
gestellt worden, zeigt aber auch die große
Bandbreite von Stella Grigorians Kunst, die
sich bei Musical und Chanson ebenso selbstverständlich
auszudrücken versteht wie in
Oper, Konzert oder eben dem klassischen
Liedgesang. Tatsächlich war Grigorian, wo
auch immer auf der Welt, stets „easily assimilated“
– persönlich und musikalisch. Auf
der hier vorliegenden Aufnahme ist sie eben
„suddenly spanish“.
HELMUT DEUTSCH
Helmut Deutsch wurde in Wien geboren
und studierte an der dortigen Musikhochschule
Klavier und Komposition sowie
Musikwissenschaft an der Universität Wien.
1967 erhielt er den Kompositionspreis seiner
Heimatstadt.

Bereits in seiner Studienzeit konzentrierte
er sich auf die Spezialgebiete Kammermusik
und Liedbegleitung. Als Partner vieler
Instrumentalisten von Weltrang hat sich
Helmut Deutsch in praktisch allen Formen
von Kammermusik betätigt. Als Liedbegleiter
begann seine Karriere mit der Sopranistin
Irmgard Seefried. Seither war er Partner
vieler der bedeutendsten Sänger unserer Zeit:
Juliane Banse, Barbara Bonney, Grace Bumbry,
Ileana Cotrubas, Diana Damrau, Brigitte
Fassbaender, Angelika Kirchschlager, Genia
Kühmeier, Christiane Oelze, Anne Sophie
von Otter, Dawn Upshaw, Ruth Ziesak;
Olaf Bär, Matthias Goerne, Dietrich Henschel,
Wolfgang Holzmayr, Jonas Kaufmann,
Thomas Moser, Christoph Pregardien, Josef
Protschka, Thomas Quasthoff, Andreas
Schmidt, Peter Schreier, Bo Skovhus, Christoph
Strehl, Michael Volle, Bernd Weikl und
vieler anderer.
Mit Hermann Prey verband ihn eine
zwölfjährige intensive Zusammenarbeit.
Seine Konzerttätigkeit führte ihn in alle
Teile der Welt, und er ist ständiger Gast der
wichtigsten Musikzentren und Festivals.
Helmut Deutsch, der von 1967 bis 1979
an der Musikhochschule Wien unterrichtet
hat, ist heute Professor für Liedgestaltung an
der Hochschule in München und gibt Interpretationskurse
in Europa und Japan.
Von seinen zahlreichen Aufnahmen sind
viele mit Preisen ausgezeichnet worden.