Sonatas op. 13 & op. 20
Variations sur un thème d’Armide de Gluck op. 57
Fantasie: La Contemplazione op. 107 No. 3
La bella capricciosa, una pollaca op. 55
Christoph Hammer, pianoforte
Er besaß schon den Ruf als führender Pianist in Wien, als Carl Czerny einen begeisterten Kommentar
über Hummels Spielkunst niederschrieb und den Streit der Beethoven- mit den Hummel-Anhängern
zusammenfasste:
„Wenn sich Beethovens Spiel durch eine ungeheure Kraft, Charakteristik, unerhörte
Bravour und Geläufigkeit auszeichnete, so war dagegen Hummels Vortrag das Muster der höchsten
Reinheit und Deutlichkeit, der anmutigsten Eleganz und Zartheit (…)“
Christoph Hammer hat sich
einen bedeutenden Namen als Spezialist für historische Tasteninstrumente gemacht. Als Solist,
Liedbegleiter und Kammermusiker genießt er einen internationalen Ruf. Seit 1996 ist Christoph
Hammer Leiter des Barockorchesters „Neue Hofkapelle München“ und tritt verstärkt als Dirigent
in Erscheinung. 2002 wurde ihm für seine vielfältige Tätigkeit im Bereich der Alten Musik der
Kulturförderpreis des Freistaats Bayern verliehen.
2003 begründete er als künstlerischer Leiter das Festival „Residenzwoche München“. Eine
Einspielung der Oper Catone in Utica von Giovanni Ferrandini unter Hammers Leitung ist
ebenfalls bei OehmsClassics erschienen.
Der Thonkunst Zweck
Das Herz zu ruehren, zu erfreuen, und das Ohr
zu ergoetzen ist ihre Bestimmung.
Trokne Kuensteley nur allein, ist Pedanterie
und gehoert nur fuer die Augen; jedoch:
Die Kunst mit Gefuehl und Geschmak sinnig
verbunden, erhoeht der Tonkunst Reiz, gibt ihr
Ernst und Wuerde, und geleitet den Kuenstler
ans wahre Ziel.
(J. N. Hummel)
Johann Nepomuk Hummel wurde am 14. November
1778 in Bratislava, dem damaligen
Preßburg, geboren. Bereits in jungen Jahren
zeigte sich bei ihm ein außergewöhnliches
musikalisches Talent. Als sein Vater 1786 nach
Wien umzog, um dort die Stelle eines Musikdirektors
am Theater auf der Wieden anzunehmen,
stellte er seinen Sohn dem berühmten
Wolfgang Amadeus Mozart vor, welcher den
jungen Hummel sofort unentgeltlich als Schüler
annahm. Fast zwei Jahre wohnte dieser
nun bei freier Kost und Logis im Mozart’schen
Hause und gelangte über seinen Lehrer in Berührung
mit allen bedeutenden musikalischen
Zirkeln Wiens. Auf die Empfehlung Mozarts
hin unternahm der Vater Hummel mit seinem
Sohn 1788-1792 eine erfolgreiche große Konzertreise,
die beide vier Jahre lang quer durch
die europäischen Zentren der Musikwelt
führte. Während dieser Zeit entstanden auch
Hummels erste Kompositionen. Er selbst erinnert
sich in einem Brief an Joseph Sonnleithner
„Als ich 15 Jahre alt war, kehrte ich 1793
nach Wien zurück; studierte den Contrapunkt
bey Albrechtsberger, und genoß späterhin
Salieri’s Unterricht in der Gesangscomposition,
in den ästhätischen Ansichten, und der
musikalischen Philosophie überhaupt (…) Da
ich schon damals als Spieler in Wien den ersten
Platz einnahm, so beschäftigte ich mich
hauptsächlich mit Unterricht (…) Vom Jahre
1794 bis 1814 spielte ich in Wien nicht mehr öffentlich
(…), bloß in den Zirkeln meiner Freunde
und Beschützern der Kunst phantasierte
ich zuweilen. Während diesen Jahren habe
ich Komposizionen beinahe in allen Fächern
geliefert…“
Auf Joseph Haydns Empfehlung – Hummel
hatte ihn bereits 1791 in London kennengelernt
und 1795 Orgelunterricht bei ihm genommen –
erhielt Hummel 1804 die Stelle des Kapellmeisters
am Hofe des Fürsten Nikolaus Esterházy.
1811 allerdings wurde er aus dieser Stellung
entlassen, da sich Hummels Interessen mehr
der Kompositionen und dem Wiener Musikleben
zuwandten als seinen Dienstpflichten. Eine
große Konzertreise durch Deutschland 1816
machte Hummel endgültig zu einer berühmten
Persönlichkeit. Nur ein kurzes Intermezzo war
die Berufung als Kapellmeister in Stuttgart,
bevor er sich 1819 ebenfalls als Kapellmeister
am Weimarischen Musenhof niederließ. Von
hier aus unternahm Hummel noch weitere ausgedehnte
Konzertreisen nach Russland, Polen,
Frankreich und England und starb am 17. Oktober
1837 in Weimar.
„Kein ordentlicher Pianfortevirtuose der Gegenwart
kann und darf die Hummel’schen
Hauptwerke ignorieren, wenn seine Ausbildung
eine allseitige sein soll.“ (Franz Liszt)
Unter den großen Klaviervirtuosen am Anfang
des 19. Jahrhunderts zählte Hummel zu den
berühmtesten und anerkanntesten in ganz Europa.
Seine Klavierschule, die 1828 erschien,
war eines der maßgeblichen Unterrichtswerke.
Schon in seinen frühen Wiener Jahren galt
Hummel als der bedeutendste Klavierspieler
der Stadt. Carl Czerny berichtet in seinem
Tagebuch:
„Aber welch einen Meister hörte
ich da! Obwohl ich damals schon so oft Gelegenheit
gehabt hatte, den Gelinek, Lipawsky,
Wölffl und selbst Beethoven zu hören, schien
mir das Spiel dieses so unscheinbaren Menschen
eine neue Welt. Noch nie hatte ich so
neue glänzende Schwierigkeiten, eine solche
Reinheit, Eleganz und Zartheit des Vortrages
und eine so geschmackvoll zusammengesetzte
Fantasie gehört.“ Tatsächlich begründete
Hummels Zugang zum Fortepiano eine neue
Schule des Klavierspiels hinsichtlich des
technischen Anspruchs und der Klanggestaltung
zwischen Klassizismus und Romantik.
Ein großer Gegensatz zum weithin maßgeblichen
Klavierspiel des großen Titanen Beethoven
entzweite lange die Parteien. Czerny
beschreibt dies so:
„Wenn sich Beethovens
Spiel durch eine ungeheure Kraft, Charakteristik,
unerhörte Bravour und Geläufigkeit auszeichnete,
so war dagegen Hummels Vortrag
das Muster der höchsten Reinheit und Deutlichkeit,
der anmutigsten Eleganz und Zartheit,
und die Schwierigkeiten waren stets auf den
höchesten, Bewunderung erregenden Effect
berechnet, indem er die Mozart’sche Manier
mit der für das Instrument so weise berechneten
Clement’schen Schule vereinigte. Es war
daher natürlich, dass er in der großen Welt
den Vorrang als Spieler behauptete, und bald
bildeten die zwei Meister Parteien, welche
einander mit aller Macht anfeindeten. Hummels
Anhänger warfen dem Beethoven vor,
dass er das Fortepiano malträtiere, dass ihm
alle Reinheit und Deutlichkeit mangle, dass
er durch den Gebrauch des Pedals nur confusen
Lärm hervorbringe und dass seine Compositionen
gesucht, unnatürlich, melodielos
und überdem unregelmäßig seien. Dagegen
behaupteten die Beethovenisten, Hummel
ermangle aller echten Phantasie, sein Spiel
sei monoton wie ein Leierkasten, die Haltung
der Finger sei kreuzspinnenartig und seine
Kompositionen seien bloße Bearbeitungen
Mozart’scher und Haydn’scher Motive.“
„Wenn Beethoven fünfundzwanzig Jahre später
geboren worden wäre, so hätte er Hummel
unbestritten den Ruhm lassen müssen, der
erste Instrumentalkomponist seiner Epoche
zu sein.“ (Fétis)
Doch nicht nur als Interpret oder Improvisator
auf dem Klavier war Hummel maßgebend, sondern
auch seine Kompositionen erfreuten sich
in ganz Europa höchster Beliebtheit. Hummels
Werke beeinflussten die größten Komponisten
seiner Zeit wie Moscheles, Field, Chopin,
Mendelssohn und selbst Wagner. Allerdings
stand sein Schaffen in der weiteren Rezeption
unter dem Schatten eines Beethoven. Ferdinand
Hiller – ein Schüler Hummels – berichtet
von einem Gespräch, in welchem Hummel gestand,
dass es für ihn ein ernster Augenblick
war, als Beethoven erschien.
„Sollte ich’s
versuchen in die Fußstapfen eines solchen
Genies zu treten!“ – sagte er. –
„Eine Weile
wusste ich nicht woran ich war: aber schliesslich
sagte ich mir: Es ist am besten du bleibst
dir und deiner Natur getreu.“ Und diese Natur
war für Hummel die Mischung aus klassizistischer
Tradition, frühem Virtuosentum und
salonhafter Gefälligkeit. So stehen neben
großen Klaviersonaten und -konzerten eine
große Zahl an Variationen, Capricen, Rondos,
Fantasien, Tänzen und Gelegenheitswerken.
Inwieweit der Satzstil eines Hummel auf die
klanglichen Gegebenheiten eines Wiener
Hammerflügels bezogen war, mag man an seinem
Lehrkompendium ersehen, welches das
Ideal eines leichten, flüssigen und eleganten
Klavierstils vertritt.
Hummels Klaviersonate op. 13 in Es-Dur
wurde Anfang 1805 gedruckt. Ebenso wie Beethoven
widmete er diese erste große Sonatenkomposition
seinem Mentor Joseph Haydn,
dem er die Berufung als Esterházyscher Konzertmeister
zu verdanken hatte. Auffällig an
dieser Sonate ist das Hauptthema des ersten
Satzes, welches choralartig eingeführt wird
mit der Bezeichnung sostenuto quasi organo
und in der Coda explizit mit Alleluja bezeichnet
ist. 1807 folgt Hummels zweite Grande Sonate
in f-moll op. 20. Als ein typisches Genrestück
kann man die Polacca op. 55 bezeichnen, die
aus den Jahren 1811–15 stammt und unter
dem Titel La Bella Capricciosa veröffentlicht
wurde. Aus der gleichen Zeit stammen die
Variationen op. 57 in F-Dur über ein Thema
aus Glucks Armide. Die Bagatelle
„Fantasie:
La Contemplazione“ op. 107, Nr. 3 entstammt
einer Sammlung von sechs Bagatellen, die
Hummel 1825 veröffentlichte und der Prinzessin
Auguste von Weimar widmete.
Bei der Aufnahme wurde für die beiden
Sonaten eine Kopie eines fünf-oktavigen
Hammerflügels von Anton Walter (Wien, ca.
1800) verwendet, für die weiteren Stücke eine
Kopie eines sechs-oktavigen Hammerflügels
von Joseph Brodmann (Wien, ca. 1815). Beide
Instrumente wurden von Robert Brown,
Oberndorf bei Salzburg, erbaut.
Christoph Hammer
Fotos:
Booklet: Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Cover: Goethe-Museum Düsseldorf