Weihnachtliche Arien, Duette & Pastoralen für Knabenstimmen und barocke Instrumente
von Schütz, Bartolotti, Monteverdi, Radion, Finetti, Viadana, Cavazzoni, Händel
Clemencic Consort · René Clemencic, Artistic Director / Baroque organ positive, harpsichord
Weihnachtliche Freude soll hier durch eine Auswahl von Musikstücken des deutschen und italienischen Barock zum Ausdruck kommen. Der renom-mierte Clemencic Consort musiziert gemeinsam mit Chorknaben der Choralschola der Wiener Hofburgkapelle.
René Clemencic
René Clemencic ist Komponist, Dirigent,
Flöten- und Clavichordvirtuose, Cembalist
und Organist, Leiter und Gründer eines
weltberühmten Ensembles für Alte Musik
(Clemencic Consort), Musikwissenschaftler
und Schriftsteller, gelernter Philosoph sowie
Sammler von emblematischen Büchern und
Skulpturen.
Am 27. Februar 1928 in Wien geboren, ist
er ein echtes Kind der Donaumetropole. Seine
Ahnen stammen aus Istrien, Slowenien, Mähren,
Polen etc. Der Begründer der Germanistik,
Karl Lachmann, zählt zu seinen direkten
Vorfahren mütterlicherseits. Zu Hause sprach
er mit seinem Vater, einem Notar, stets italienisch,
mit seiner Mutter deutsch.
Philosophie und Musikwissenschaft studierte
René Clemencic an der Pariser Sorbonne, dem
Collège de France sowie an der Universität
Wien, wo er 1956 mit der Dissertation „Sein
und Bewusstsein bei Louis Lavelle“ den Doktorgrad
erlangte. Gleichzeitig studierte er Musik
– Blockflöte und Cembalo in Wien, Holland
und Berlin, Musikalische Formenlehre bei Erwin
Ratz, Musiktheorie beim Schönbergfreund
und -schüler Josef Polnauer, und J. M. Hauers
Zwölftonlehre bei Johannes Schwieger.

Seit 1957 tritt René Clemencic als Blockflötist
und Leiter des eigenen Ensembles international
in Erscheinung. Seit 1966 obliegt ihm die
Betreuung des „Musica Antiqua“-Zyklus der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Weit über 100 Schallplatten und CDs
erschienen mit ihm als Solist und als Dirigent
des Clemencic Consort und anderer
Ensembles bzw. Orchester. Er gab Konzerte
in allen Kontinenten und erhielt zahlreiche
internationale Preise wie Edison, Grand Prix
du Disque, Diapason d’Or, Prix Cecilia und
andere mehr. Im Jahr 1989 erhielt der Künstler
die Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien,
1996 den Berufstitel Professor, 1997 den Preis
„Anima Mundi“ der Biennale d’Arte Sacra di
Venezia wie auch den Preis der Stadt Wien.
In seinen Kompositionen geht es Clemencic
in erster Linie um Klangsymbolik, nicht primär
um Ästhetisches. „Ich versuche in meinen Werken
Klänge und Klangkomplexe als akustische
Zeichen und Chiffren für Weltstrukturen bzw.
innere Erlebnisse und Erfahrungen einzusetzen.
Klang und Klanggeste sollen als solche in ihrer
ursprünglichen Magie wirken. Es geht mir nicht
so sehr um die Herstellung eines Opus, Artefaktes
im üblichen Sinne, sondern vielmehr um das
Enthüllen einer gewissen verborgene Semantik
des Klanglichen.“
Seine kompositorische Laufbahn begann
René Clemencic 1968 mit der Uraufführung
seines Werkes Maraviglia III beim Forum Alpbach.
Es folgten Aufführungen seiner Werke
u. a. in London, Nancy, beim Festival de Wallonie,
Festival d’Evreux, Breslauer Festival
für Avantgardemusik, Adelaide Festival, am
Oberlin College/USA, bei den Leningrader
Festspielen für Zeitgenössische Musik, an der
Scala/Milano, bei der Menuhin Academy in
Blonay, in Salzburg, Palermo und beim Carinthischen
Sommer.
Sein Oratorium Kabbala in hebräischer
Sprache wurde 1992 beim Mittelfest in Cividale
del Friuli uraufgeführt; die österreichische
Erstaufführung 1994 im Wiener Odeon im
Rahmen der Woche Jüdischer Kultur wurde
mit Jubel und Ovationen bedacht; ebenso
die britische Erstaufführung 1996. Im Rahmen
des Wiener „Klangbogen“ 1993 wurde die
Ballettpantomime Drachenkampf szenisch
erfolgreich realisiert. Die Uraufführung der
Apokalypsis im großen Wiener Musikvereinssaal
im Jahr 1996, ein Auftragswerk des
Wiener Musikvereins, wurde mit hymnischen
Kritiken bedacht. Das 1998 im Rahmen des
Festivals „Hörgänge“ uraufgeführte Klaviertrio
Jeruschalajim wurde u. a. vom Altenberg
Trio/Wien als „wertvolle Bereicherung der
Klaviertrio-Literatur“ bezeichnet. 1999 erfolgte
die Uraufführung des Oratoriums Reise nach
Ninive ebenfalls im Rahmen der „Hörgänge“.
Im Mai 2000 wurde das Concerto per Archi in
Caserta und Neapel uraufgeführt.
Die Uraufführung seiner Komposition Stabat
Mater fand in Todi (Umbrien) Ende Juli
2001 statt.
Gegenwärtig arbeitet er an der Komposition
einer Oper Daniel in hebräischer und
aramäischer Sprache (nach dem Buch Daniel
aus dem Alten Testament).
Laudate Pueri
Weihnachtliche Freude soll hier durch
eine Auswahl von Musikstücken des
deutschen und italienischen Barock zum
Ausdruck kommen. Dem Barock war es ja
in besonderem Maße gegeben, himmlische
Freude in irdischen Formen spürbar werden
zu lassen. Die im engeren wie im weiteren
Sinn weihnachtlichen Stücke werden hier
ausschließlich von Knabenstimmen gesungen.
Der Kinderstimme kam, auf Grund ihrer
Ungeschlechtlichkeit, seit jeher eine spezielle
Funktion im Bereiche der Sakralmusik zu.
Unmittelbar wird hier das mit dem Weihnachtsgeschehen
so eng verbundene göttliche
Kind, der Knabe Jesus, angesprochen.
Die drei geistlichen Gesänge von Heinrich
Schütz sind seinen 1636 und 1639 erschienenen
geistlichen Konzerten entnommen. Sie
sind konzertante Monodien im neuen italienischen
Stil, wobei Schütz mehr Wert auf Ausdruck
als auf gesangliche Virtuosität legte.
Bone Jesu gehört zu den wenigen Werken
von Schütz in lateinischer Sprache.
Die hier zu hörenden geistlichen Stücke
von Monteverdi sind allesamt in seiner venezianischen
Zeit als Kapellmeister von San
Marco (1613–1643) entstanden. Im Vergleich
mit der Kirchenmusik Monteverdis die in Mantua
entstanden war, beschränken sich die
in Venedig komponierten Werke auf geringere
instrumentale Mittel, oft nur auf eine
Generalbassbegleitung. Auch die gesangliche
Virtuosität wird meist zurückgenommen, da
San Marco mit den Möglichkeiten Mantuas
nicht mithalten konnte. Sicher aber hat hier
auch ein langsamer stilistischer Wandel mitgewirkt.
Das aus der venezianischen Frühzeit
(1615) stammende Duett Cantate Domino ist
rondoartig, zwischen Dreier- und Zweiertakten
wechselnd, angelegt. Auch das 1624
erstmals gedruckte Venite, venite für zwei
gleich hohe Stimmen ist ähnlich gebaut. Aus
demselben Druck stammt die Solomonodie
Salve, o Regina mit einem refrainartig wiederkehrenden,
aufsteigenden Quartenmotiv
im Dreiertakt. Die davor und dazwischen stehenden
geradtaktigen Abschnitte haben Rezitativcharakter.
Das späte Laudate Dominum
(jedenfalls erst 1640 gedruckt), eine Solomonodie,
ist wiederum ein hochvirtuoses Stück
über weitgehend ostinaten Bässen und klangmalerischen
Effekten.
Lodovico Viadana, ein norditalienischer
Mönch, hat fast ausschließlich geistliche
Musik komponiert. In zahllosen, meist praxisbezogenen
Werken hat er den neuen konzertanten
Vokalstil mit Generalbassbegleitung
erfolgreich durchgesetzt. Seine Werke sind
meist knapp gehalten und von großer formaler
Klarheit.
Ausschließlich geistliche Musik hat der
Minorit Giacomo Finetti verfasst. Er war
zunächst als Chormeister in Jesi und Ancona
tätig, später als Organist und Maestro da
cappella in Venedig. Praxisbezogen komponierte
er meist für nur wenige Singstimmen
mit Basso-continuo-Begleitung. Seine einfachen,
aber empfundenen und gut konstruierten
Werke fanden ihren Weg bis nach
Nordeuropa.
Die Orgelwerke Girolamo Cavazzoni’s
gehören der Spätrenaissance an, wurden
aber im beginnenden Barock noch gespielt
und geschätzt. Über sein Leben ist uns nur
wenig bekannt. Er hat in Mantua als Organist
an der Kirche Santa Barbara gewirkt. Wie
es damals üblich war, hat er für kirchliche
Alternativ-Praxis Messabschnitte, Hymnen
und Magnificats komponiert.
Angelo Michele Bartolotti aus Bologna
war einer der bedeutendsten Virtuosen der
Barockgitarre seiner Zeit. Einen größeren
Teil seines Lebens hat er in Paris verbracht.
Die hier erklingende Suite aus dem Secondo
libro di chitarra (Rom, ca. 1655) zeigt ihn als
Meister diffiziler Kleinformen.
Ein Teil der italienischen Tanzmusik der
damaligen Zeit entspringt der Volksmusik.
Das Volkstümliche, Pastorale, Hirtenhafte
hatte immer schon seinen Platz im Weihnachtsgeschehen.
Die Hirten, Bilder einer
noch ursprünglichen, kindlich-offenen Seelenhaltung,
vernahmen ja auch als erste die
frohe Botschaft des Engels bei Christi Geburt.
Gagliarda und La Lumbarda stellen bereits stilisierte
Volksmusik dar. Piva, La Montagnura
und La Bergamasca, auf der Cornamusa,
dem italienischen Dudelsack gespielt, sind
uns in ihren Melodien durch Gasparo Zanetti
(Milano 1645) überliefert.
Erst vor wenigen Jahren wurde man auf
das Manuskript eines Gloria in excelsis für
Solosopran, zwei Violinen und Continuo, ohne
Autorenbezeichnung, aufmerksam. Auf Grund
stilistischer Eigenheiten und vor allem der
kompositorischen Qualität wird dieses Werk
heute fast einhellig Georg Friedrich Händel
zugeschrieben. Uneinig ist man sich darüber,
ob es während seines ersten Romaufenthaltes
(1707) oder noch früher entstand. Die
Komposition ist sechsteilig angelegt. Die beiden
Violinen haben abwechselnd begleitende
oder aber konzertierende Funktion. Einem virtuosen
Gloria in excelsis folgt ein ausdrucksvoller,
langsamer Et in terra-Teil. Laudamus te
lässt einem raschen Abschnitt im Zweiertakt
einen ruhigeren im Dreiertakt folgen. Domine
Deus ist als generalbassbegleitetes Rezitativ
angelegt. Qui tollis peccata stellt, dem Text
entsprechend, ein ruhigeres Affettuoso dar.
Beim anschließenden Quoniam tu solus sanctus
folgt einem koloraturenreichen Andante
ein halsbrecherisch-virtuoses Allegro. Alles
in allem ein Bravourstück für Sopranstimmen
von höchster musikalischer Qualität.
Das Manuskript dieses Gloria stammt aus
der Londoner Bibliothek des R.J.S. Stevens
(1757–1837). Ein beträchtlicher Teil derselben
war früher im Besitz von William Savage (ca
1720–1789), der für Händel als Knabensopran
gesungen hatte!
René Clemencic