Andreas Bach, Kämmerling-Schüler, internationaler Preisträger – u.a. Bruno-Leonhard-Gelber-Preis 1987
– legt auf dieser Einspielung eine repräsentative Auswahl aus Bartóks Klavierwerk vor, beginnend mit dem
Op. 1 bis hin zur Suite Im Freien – einem der herausragendsten Werke der Klaviermusik des 20 . Jahrhunderts.
Béla Bartók: Klavierwerke
Je mehr Zeit seit Bartóks Tod vergangen ist,
desto mehr zeigt sich, dass Bartók vielleicht
die nachhaltig bestimmendste Gestalt
für die Entwicklung der Neuen Musik der
letzten Dekaden ist bzw. gewesen ist. Gerade
seine herbe Harmonik ist für seine Zeit revolutionär
und wirkt in den Kompositionen von
Messiaen, Ligeti oder Grisey bis heute nach.
Ein ganz entscheidendes Merkmal für das
Neue und Besondere von Bartóks Harmonik
ist wohl die Orientierung weg von der
Verwendung der Terz hin zur Verwendung
der Quint und der Oktav als dominierende
Elemente. Es entsteht der typische Eindruck
der Klarheit und Kraft, die der Musik Bartóks
in besonderem Maße eigen ist. Klarheit und
Kraft, auch der Eindruck des Archaischen,
sind Attribute, die den beiden Intervallen
Oktave und Quint (bzw. in der Umkehrung
Quart) in der Musikgeschichte immer wieder
zugeschrieben worden sind. Die wärmende,
an das Gefühl von Geborgenheit erinnernde
Terz (bzw. in der Umkehrung die Sext) verwendet
Bartók seltener. Wie die Quint und
Oktav wichtiger werden so werden auch die
spannungsvollen Intervalle Tritonus, große
und kleine Sekunde (in der Umkehrung Sept)
im Verhältnis zur Terz häufiger.
Es ist interessant zu hören, wie Bartók
selbst seine Stücke gespielt hat, mit einem
eher vollen, singenden Ton, den er sozusagen
sachlich einsetzte. Für die damalige Zeit war
sein Spiel eher nüchtern, im Vergleich zu Aufnahmen
der heutigen Zeit wirkt es eher frei in
der Gestaltung. Seine Rubati wirken natürlich
und von dem Wechsel der harmonischen
Spannungszustände provoziert bzw. daran
orientiert. Nicht vor allem das rhythmische,
sondern noch mehr das harmonische Element
scheint für sein Verhältnis zu der eigenen
Musik wichtig gewesen zu sein.
Einen Eindruck von Bartóks spätromantischer
Phase, in der er seine ersten kompositorischen
Versuche gemacht hat, gibt
sein
Opus 1, ein Werk mit überbordenden
Arpeggien über elegischen Melodien im ersten
und mit wildem Volkstanzcharakter im
zweiten Teil. Hier ist er noch sehr der alten
Harmonik und dem Dreiklang als zentralem
Element verwurzelt, Inspirationen von Liszts
Rhapsodien und von Strauss ausladenden
Orchesterwerken sind spürbar. Auch in der
viel später komponierten Sonatine überwiegt
die Dur-Moll-Harmonik. In diesem Rahmen ist
dies aber hier die sehr persönliche Harmonik,
die Bartók, auch im Kontakt mit der ländlichen
Bevölkerung, entwickelt hat, um die originalen
Volksmelodien, die er auf seinen wissenschaftlichen
Exkursen durch Ungarn und
Rumänien sammelte, einfühlsam zu begleiten.
Es ist mehr der hervorragende Arrangeur
Bartók, der durch dieses Stück wie auch
durch viele andere Bearbeitungen ungarischer
Melodien spricht, weniger der originale
Komponist.
Noch vor der
Sonatine ist das berühmte
Allegro barbaro entstanden, eine seiner Originalkompositionen,
die aber dennoch stark
auf die Funktionen der Dur-Moll-Tonalität aufbaut.
Ein Jahr nach der Sonatine ist die
Suite
op. 14 komponiert, ein Werk mit einem dritten
Satz, dessen peitschender Drive uns fast an
moderne Heavy-Metal-Musik denken lässt.
Noch weiter in der harmonischen Entwicklung
Bartóks und vielleicht in dieser Beziehung
das spannungsvollste Werk dieser CD
sind die
Etüden op. 18, in denen Bartók jeden
wahrnehmbaren Boden einer Tonalität von
Dur und Moll verlässt. Die Suite
„Im Freien“
letztendlich ist eines der herausragendsten
und faszinierendsten Werke der Programmmusik
im 20. Jahrhundert. Im Stück
„Klänge
der Nacht“ entsteht eine Natur, die völlig
abseits von allem Menschlichen ihre eigene
Dynamik lebt, unbeeinflussbar und doch einer
Notwendigkeit folgend, die ihr den dämmernden,
aber schicksalhaft fortziehenden Puls
gibt.
Andreas Bach