Cinema Concertante
Howard Shore: „In Dreams“ (Der Herr der Ringe)
Elmer Bernstein: Zeit der Unschuld
Gabriel Yared: „Convento di Sant’Anna“ (Der Englische
Patient)
Ennio Morricone: „Nuovo Cinema Morricone“ (Suite):
Allein gegen die Mafia – Es war einmal in Amerika –
The Mission – Sacco und Vanzetti – Der Profi
Nino Rota: „Walzer“, „Liebesthema“ (Der Pate)
Yann Tiersen: Die fabelhafte Welt der Amélie
Enya: „May it be“ (Der Herr der Ringe)
Niki Reiser: Jenseits der Stille
Nigel Hess: Der Duft von Lavendel
Ennio Morricone: La Califfa
Ron Godwin: Miss Marple
Luis Bacalov: Il Postino
Henry Mancini: The Pink Panther
Matthias Keller: „Elise goes to Hollywood“
Kurpfälzisches Kammerorchester
Frank Zacher, Dirigent
Ulrich Herkenhoff, Panflöte
Während Filmmusik in der Regel einen
hochkomplexen Bearbeitungsmarathon durch diverse
Studioapparaturen durchläuft, sodass die beteiligten
Musiker am Ende nur noch das Ausgangsmaterial
für den „Soundtrack“ bereitstellen, erobern die
Interpreten hier gewissermaßen ihre Musik „zurück“:
Das Kurpfälzische Kammerorchester spielt berühmte
Stücke der neueren Filmgeschichte in Bearbeitungen,
die ihm von Matthias Keller „auf den Leib“ geschrieben
wurden. Für besondere Klangfarben sorgt bei
einem Teil des Programms die Panflöte, gespielt von
Ulrich Herkenhoff. Eine eigene musikalische Gestalt
bekommen gerade die ursprünglich großorchestral
gedachten Kompositionen in dieser Einspielung
durch die Reduktion auf die kleine Besetzung des
Kammerorchesters, die jedem Musiker eine interpretatorische
Verantwortung abverlangt und somit
den Originalsoundtracks eine kammermusikalische
Direktheit und Intimität verleiht.
Filmmusik für Kammerorchester
Filmmusik: im Kino ist sie allgegenwärtig,
aber in aller Regel auch namenlos.
Das gilt vor allem für diejenigen,
die sie zum Klingen bringen,
denn Soundtracks entstehen für gewöhnlich
in akustisch optimierten Studios,
gespielt von eigens zusammengestellten
Orchestern, und rechnen
mit den inzwischen schier grenzenlosen
Möglichkeiten der Nachbearbeitung,
der so genannten post production.
Die Musiker liefern hierzu lediglich
das Ausgangsmaterial.
Cinema Concertante dagegen verfolgt
einen anderen Ansatz. Hier sind
es die Musiker des Kurpfälzischen
Kammerorchesters
Mannheim, die sich
dem Thema Filmmusik als Interpreten
nähern, in eigens für sie eingerichteten
Arrangements. Die Ausgangsidee
hierzu entstand auf dem Konzertpodium,
wo die Suite Nuovo Cinema Morricone,
eingebettet in einen klassischen
Konzertabend, derart enthusiastische
Reaktionen beim Publikum auslöste,
dass man beschloss, ein ganzes Programm
mit Filmkompositionen zu gestalten.
Dass hierbei nur handverlesene
Stücke von Meistern dieser Gattung in
Frage kamen, schien obligatorisch.
Schließlich genießt das Kurpfälzische
Kammerorchester einen ausgezeichneten
Ruf und begreift diese Tradition als
Verpflichtung und Herausforderung,
wo es um das Entwickeln neuer Ideen
geht. Neu aber war diese Idee nicht nur
aus Sicht der Musikerinnen und Musiker
des Orchesters. Innovativ scheint
dieses Filmmusik-Konzept vielmehr
auch für das Konzertpodium. Denn bisherige
cineastische Konzerte wandten
sich fast ausschließlich an Freunde von
Originalsoundtracks, die mit entsprechender
Erwartungshaltung dem Ereignis
entgegenfiebern – man denke an
die weltweite Tournee von Howard
Shores »Herr der Ringe«-Musik oder an
diejenige von John Williams’ »Star
Wars«-Komposition. Selten dagegen
wagte jemand auf diesem Gebiet die
kammermusikalische Verkleinerung.
Dabei entsteht eigentlich erst hier
die Herausforderung für den Interpreten,
zu den einzelnen Stücken musikalisch
Stellung zu beziehen; stärker jedenfalls
als im Nachahmen originaler,
groß besetzter Soundtracks der akustischen
Superlative.
Bei Cinema Concertante wird manches
sehr viel persönlicher und im besten
Sinn musikalisch präsent.
Schon der Auftakt, Howard Shores In
Dreams aus »Der Herr der Ringe«
(2001), ist ein akustischer Großauftritt
mit eingeschränkten orchestralen
Mitteln.
Und anstelle des ursprünglichen
Knabensoprans singt hier die
Panflöte jene Melodie, auf die der Originaltext
lautet: »When the cold of winter comes«.
Elmer Bernsteins The Age of Innocence
wiederum, komponiert zum
gleichnamigen Sittengemälde von
Martin Scorsese (1993) und stilistisch
unweit von Johannes Brahms angesiedelt,
erklingt im Film selbst mit Violoncello
als Hauptinstrument, wurde allerdings
später auch von Itzhak Perlman
in einer Version für Violine und Orchester
eingespielt.
Ganz im Stile Johann Sebastian
Bachs komponierte der aus Beirut
stammende Gabriel Yared sein Convento
di Sant’Anna für den Film »Der englische
Patient« (1996). Ausgangspunkt
hierfür war Bachs Aria aus den Goldberg-
Variationen, die im Film selbst erklingt,
gespielt auf einem ramponierten
Flügel, und die nach Vorstellung
von Regisseur Anthony Minghella
ursprünglich
auch zum Abspann nochmals
hätte erklingen sollen. Yared
jedoch
bot ihm als Alternative sein
eigenes
Stück an – ein hinreißendes
barockes Thema, orchestral gewürzt
mit einigen romantischen Zutaten.
Um bei Bach zu bleiben: Eine große
Barock-Affinität zeigt auch Ennio
Morricone in vielen seiner Filmpartituren.
Sei es die Lust an barocken Sequenzierungen,
das Arbeiten mit kontrapunktischen
Techniken oder auch
nur die Verwendung des Cembalos als

immer wieder anzutreffendes Instrument.
Prototypisch schon das Thema
zur Fernsehserie »Allein gegen die
Mafia
(La Piovra)« (1985 – 2 001), mit
dem die Suite Nuovo Cinema Morricone
beginnt: sakral-barocker Schauder,
kombiniert mit dem theatralischen
Gestus der italienischen Oper. Es folgt,
nicht minder opernhaft, das hochromantische
Deborah-Thema aus
Sergio Leones »Es war einmal in Amerika
« (1984). Daran
anschließend erklingt
das Oboenthema
des Jesuitenpaters
Gabriel (Jeremy Irons) aus
Roland
Joffés »Die Mission« (1986),
einem
Missionsdrama, angesiedelt vor
authentisch-historischem Hintergrund
im Lateinamerika des 18. Jahrhunderts.
Durch und durch barock geprägt ist
auch das nächste Thema, das Here’s to
you aus Giuliano Montaldos »Sacco
und Vanzetti« (1971) – eine Melodie,
die seinerzeit die Sängerin Joan Baez
in die Hitparaden katapultierte –; das
Ganze gestützt von einem Ciaconne-artigen
Grundgerüst. In der vorliegenden
Bearbeitung blieb es freilich nicht
beim wiederholten Absingen der Melodie
allein; vielmehr wurden, anstelle
des original zu hörenden Schlagzeugs,
figurative Elemente eingefügt wie
beispielsweise
der kleine konzertante
Dialog von Panflöte und Solovioline.
Nicht minder hitverdächtig ist auch
das hieran anknüpfende Thema aus
»Der Profi« (1981) mit Jean-Paul Belmondo
in der Titelrolle. Und schließlich,
als Morricones originäres Panflötenthema,
Cockey’s Song, nochmals aus
»Es war einmal in Amerika«.
Eine weitere Ikone der italienischen
Filmmusik ist Nino Rota. Sein Walzer
mit nachfolgendem Liebesthema aus
dem Film »Der Pate« (1972) stehen
hier als Hommage an einen großen
neoklassizistischen Komponisten, der
beileibe nicht nur Filmmusik schuf,
aber gerade hierdurch zu Weltruhm
gelangte. Der burleske Walzer aus dem
Film »Die fabelhafte Welt der Amélie«
(2001) wiederum machte praktisch
über Nacht den französischen
Komponisten und Multiinstrumentalisten
Yann Tiersen bekannt und führte zu
zahllosen Adaptionen auch für den
häuslichen Klaviergebrauch. Dies gilt in
ähnlicher Weise für die nächsten beiden
Nummern, das May it be, das die
irische Sängerin Enya zum Abspann
des ersten Teils der »Herr der Ringe«-
Trilogie (2001) beigesteuert hat, und
für »Jenseits der Stille« (1996) – eine
Musik, für die der Schweizer Komponist
Niki Reiser mit mehreren internationalen
Preisen ausgezeichnet wurde.
Ähnlich wie in Caroline Links »Jenseits
der Stille« hat auch in »Der Duft
von Lavendel« (2004) ein Musikinstrument
entscheidenden Anteil an der
Handlung. Ist es im ersten Fall die Klarinette,
die von der Hauptfigur Lara
(Sylvie Testud) gespielt wird, so mimt
in »Der Duft von Lavendel« Daniel
Brühl einen jungen Schiffbrüchigen
namens
Andrzej, der an der englischen
Küste aufgelesen wird und sich als
äußerst
talentierter Geigenvirtuose
entpuppt. Das Thema von Nigel Hess,
der übrigens ein Großneffe der britischen
Pianistin Myra Hess ist, wurde
für den Originalsoundtrack von Joshua
Bell eingespielt. Mit La Califfa für den
gleichnamigen Film von Alberto Bevilacqua
(1970) schuf Ennio Morricone
ein weiteres Solostück für die Oboe,
das für die vorliegende Aufnahme zu
einem Duett für Oboe und Panflöte
ausgebaut wurde.
Auch das Oscar®-prämierte Hauptthema
zu »Der Postmann« (1994),
komponiert von dem aus Argentinien
stammenden Luis Bacalov, ist hier als
Duett zu hören; diesmal zwischen
Panflöte
und Klarinette, während das
Original
dem Bandoneon gewidmet
ist. In erfrischendem Kontrast zu solch
lyrisch-verträumten Filmmusiken
stehen
Ron Goodwins unverwüstliches
Miss Marple-Thema, komponiert zur
gleichnamigen britischen Serie
(1961 – 64) mit Margaret Rutherford,
und Henry Mancinis Pink Panther-Thema
(1964), das dem Solisten Ulrich
Herkenhoff und den Musikern des
Kurpfälzischen Kammerorchesters zugleich
Gelegenheit bot, ihr Können
auch auf swingendem Terrain unter
Beweis
zu stellen. Wobei in beiden
Fällen,
im Unterschied zu den »Originalen
«, bewusst auf das Schlagzeug
verzichtet wurde.
Den augenzwinkernden Abschluss
dieses Filmmusik-Albums bildet die
kleine Suite Elise goes to Hollywood:
ein reines Streicherstück, in dem Beethovens
Für Elise gewissermaßen auf
filmmusikalische Abwege gerät und
von John Williams’ »Jurassic Park«
(1993) über Bernard Herrmanns
»Psycho«-Musik (1960) zu Jerry Goldsmiths
»Basic Instinct« (1992) und Nino
Rotas »Der Pate« (1972) weitergereicht
wird, um schließlich mit Morricones
»Spiel mir das Lied vom Tod« (1968)
irgendwo
im Monument Valley von
Arizona zu landen – in versöhnlichem
Dur immerhin!
Matthias Keller
Frank Zacher

Frank Zacher wurde in Halle / Saale
geboren
und erhielt bereits als Kind
Klavier- und Geigenunterricht. Sein
Dirigierstudium
absolvierte er an der
Hochschule für Musik »Felix Mendelssohn
Bartholdy« in Leipzig. Ergänzende
Studien und Meisterkurse führten ihn
u. a. zu Kurt Masur, Helmuth Rilling,
Jorma Panula und Gennady Rohzdestvensky.
Nach seiner Kapellmeistertätigkeit
am Theater Plauen wechselte er als
1. Kapellmeister und stellvertretender
GMD an das Landestheater Neustrelitz,
wo er die Leitung der Neubrandenburger
Philharmonie übernahm.
Im Februar 2 003 debütierte er in der
Berliner Philharmonie als Gast der
Berliner
Symphoniker. Weitere Gastdirigate
führten ihn u. a. zur Südwestdeutschen
Philharmonie Konstanz, zur
Mitteldeutschen Kammerphilharmonie
Schönebeck und zur Württembergischen
Philharmonie Reutlingen.
Von 2 005 bis 2 006 war er Chefdirigent
des Neuen Sinfonieorchesters
Berlin.
Seit Februar 2 007 ist er Chefdirigent
des Preußischen Kammerorchesters
mit Sitz in Prenzlau und hatte im
August desselben Jahres sein Debüt an
der Neuköllner Oper Berlin als Dirigent
der vielbeachteten Uraufführung der
Moshammeroper (Hammerthaler /
Nelissen). Zusammen mit Ulrich Herkenhoff
als Solist gastierte er bereits
im Rahmen verschiedener Veranstaltungen
und Festivals.
Ulrich Herkenhoff

Ulrich Herkenhoff, geboren 1966 in
Osnabrück, erhielt bereits in frühester
Kindheit Klavierunterricht. Das Panflötenspiel
erlernte er als Autodidakt
im Alter von vierzehn Jahren. Es folgte
ein Querflötenstudium am Münchner
Richard-Strauss-Konservatorium mit
anschließender
künstlerischer Reifeprüfung
– auf der Panflöte. Besondere
Förderung auf dem Gebiet der rumänischen
Folklore erfuhr Herkenhoff
durch den Schweizer Musikethnologen
Marcel Cellier. Er ist u. a. Träger des
»Bayerischen Staatsförderpreises für
junge Künstler« und des »Echo Klassik
« als Instrumentalist des Jahres
2000.
Auf filmmusikalischem Gebiet wirkte
Herkenhoff u. a. mit an der Oscar®-
prämierten Musik zu »Der Herr der
Ringe – die Rückkehr des Königs«
(2003) und an Ennio Morricones
Soundtrack zu »Fateless« (»Roman eines
Schicksallosen«, 2 005). Gemeinsam
mit Morricone trat er auch bei dessen
Deutschland-Debüt in der Münchner
Philharmonie 2 004 und in der Arena di
Verona auf. Seine Instrumente fertigt
Herkenhoff selbst.
Kurpfälzisches Kammerorchester
Als Nachfolger der Kurfürstlichen Hofkapelle
des Kurfürsten Carl Theodor
pflegt das Kurpfälzische Kammerorchester
seit 1952 das musikalische
Erbe der »Mannheimer Schule«
(1743 – 1778). Dieser Entwicklung, deren
Innovationspotential neue Maßstäbe
in der europäischen Musikgeschichte
setzte, fühlt sich das Orchester
eng verbunden.
Auftritte in nationalen Konzertzentren
wie der Alten Oper Frankfurt /
Main, dem Gasteig München, der Glocke
Bremen, der Unteren Frauenkirche
Dresden, der Philharmonie Köln und
der Philharmonie Berlin sowie die Gastspieleinladungen
zu nationalen und internationalen
Festivals dokumentieren
das hohe künstlerische Niveau
der über
achtzig Konzerte pro Jahr. Konzertreisen
durch ganz Europa, Südamerika,
Nordafrika und Israel spiegeln
die internationale
Bedeutung des KKO wider.
Viele hundert Rundfunkaufnahmen,
Fernsehmitschnitte, Schallplatten- und
CD-Produktionen zeugen von der Brillanz
dieses Klangkörpers. Das breite
Repertoire
vom Barock bis zur Musik
der Gegenwart unterstreicht die Qualität
der Orchestermusiker. Zudem folgen
herausragende Künstler gerne der Einladung
des Orchesters.
Die eigenen Konzertreihen in der
Metropolregion Rhein-Neckar – an historischen
Orten aufgeführt – lassen
heute damaligen Glanz am Hofe ahnen
und seine musikalische Tradition leben.
So ist das KKO bereits heute der
Klangkörper der Metropolregion Rhein-
Neckar, der von den Ländern Baden- Württemberg
und Rheinland-Pfalz, den
Kommunen Mannheim und Ludwigshafen,
dem Bezirksverband Pfalz, Sponsoren,
dem Verein zur Förderung des
KKO und den Orchesterpaten,
die sich
aus bekannten Persönlichkeiten und
Unternehmen der Region zusammensetzen,
unterstützt wird.
Musikfreunde in der ganzen Welt assoziieren
die »Mannheimer Schule« mit
dem Kurpfälzischen Kammerorchester.