Kodály - Cirri - Halvorsen - Clière
Zoltan Kodály (1882–1967): Duo für Violine und Violoncello op. 7
Giovanni Battista Cirri (1724–1808): Duo op. 12 G-Dur (Ersteinspielung)
Johan Halvorsen (1864–1935): Passacaglia
Reinhold Glière (1874–1956): Acht Duos für Violine und Violoncello
op. 39
Eight Strings: Valeria Nasushkina & Mikael Samsonov
Zoltan Kodály (1882–1967): Duo für Violine und Violoncello op. 7
Giovanni Battista Cirri (1724–1808): Duo op. 12 G-Dur (Ersteinspielung)
Johan Halvorsen (1864–1935): Passacaglia
Reinhold Glière (1874–1956): Acht Duos für Violine und Violoncello
op. 39
Eight Strings: Valeria Nasushkina & Mikael Samsonov
Zoltan Kodálys Duo von 1914 kann als eines der
großen Standardwerke für die Besetzung Violine-
Violoncello gelten. Eine Rarität hingegen ist das Duo
des italienischen Komponisten Giovanni Battista
Cirri, das hier erstmals eingespielt wurde. Cirri, selbst
Cellist, ist heute vor allem für seine Cellosonaten und
–Konzerte, die häufig als Unterrichtsmaterial eingesetzt
werden, bekannt. Das Duo ist jedoch unbedingt
als Konzertstück dankbar und bietet eine breite Palette
von Stimmungen und Klangwirkungen.
Reinhold Glière unterrichtete am Moskauer Konservatorium
und zählte dort u.a. Prokofjew und
Miaskowsky zu seinen Schülern. Er stand in hohen
Ämtern der russischen Kulturpolitik und verkörpert
in seinen Werken einen russisch-nationalen Stil, der
vollkommen im Sinne des sozialistischen Realismus
war. In seinen Acht Duos porträtiert er verschiedene
Form- und Satztypen in reizvollen musikalischen
Miniaturen.
Die moldawische Geigerin Valeria Nasushkina
und der in Weißrussland geborene Cellist Mikael
Samsonov bilden das Duo Eight Strings. Sie wurden
beim Internationalen „Gaetano Zinetti“ Wettbewerb
2008, beim Internationalen Kammermusikwettbewerb
„Marco Fiorindo“ in Turin und beim Internationalen
Wettbewerb „Cittá di Padova Prize 2009“ mit
Preisen ausgezeichnet.
Valeria Nasushkina
Die moldawische Geigerin Valeria
Nasushkina
– Solistin und sehr gesuchte
Kammermusikpartnerin – ist Gast bei zahlreichen
internationalen Festivals, darunter
das Cardiff Festival, das Rostropovich Festival
in Evian und die Schwetzinger Festspiele,
auf Schloss Rheinsberg beim Podium Junger
Künstler sowie in bedeutenden Konzertsälen
Europas wie der Tempelliaukion Hall
in Helsinki, der Liederhalle Stuttgart und
der Queen Elizabeth Hall in London. Live-
Auftritte im Südwestrundfunk, bei Radio
Berlin-Brandenburg und beim Bayerischen
Rundfunk ergänzen ihre Konzerttätigkeit.
Wichtige Impulse für ihren künstlerischen
Werdegang erhielt die junge Geigerin durch
die Zusammenarbeit mit renommierten Musikern
unserer Generation wie Mark Lubotsky,
Sir Yehudi Menuhin, Sir Colin Davis und
Ensembles wie dem Borodin-Quartett, dem
Tokyo String Quartet und dem Alban Berg
Quartett. 1995 gewann Valeria Nasushkina
den First Year String Prize (London), 2002
den ersten Preis beim Kammermusikwettbewerb
des Kulturfonds Baden e.V., 2004
ersten Preis beim Karlsruher Kammermusikwettbewerb,
2008 den Premio „Luoghi
di confine“ all’eccellenza sowie den Premio
Speciale „Artists in residence“ beim Internationalen
„Gaetano Zinetti“ Wettbewerb
in Verona u.a. Valeria Nasushkina ist heute
bereits eine gefragte Dozentin bei verschiedenen
internationalen Meisterkursen, darunter
die „International Summer Music School of
Prince of Asturias Foundation“ in Spanien.
„Valeria Nasushkina begeisterte durch ihren
sicheren und virtuosen Vortrag. Sie entlockte
ihrer Geige wunderbare volle Klänge. Schon
der allererste Ton ihres Spiels hatte Gänsehaut-
Qualität …“
Stuttgarter Nachrichten
Mikael Samsonov
Mikael Samsonov wurde in Weißrussland
geboren. Er studierte als Stipendiat
an der Londoner Guildhall School
of Music & Drama, und 2004 absolvierte
er sein Studium bei Natalia Gutman an der
Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende
Kunst Stuttgart mit Auszeichnung.
Bereits während des Studiums errang er erste
Preise beim Internationalen Wettbewerb
„Concertino Praga“ in Prag (Tschechien),
beim „Allunions-Wettbewerb“ in Krasnodar
(UdSSR), beim Internationalen Kammermusikwettbewerb
in Turin (Italien), beim Karlsruher
Kammermusikwettbewerb und beim
Kammermusikwettbewerb des Kulturfonds
Baden. Außerdem wurde ihm der Spezialpreis
beim Leonard Rose International Cello
Competition (USA) und der Premio „Luoghi
di confine“ all’eccellenza und der Premio
Speciale „Artists in residence“ beim Internationalen
Kammermusikwettbewerb in Verona
(Italien) zugesprochen. Als Kammermusiker
und als Solist gastierte Mikael Samsonov in
renommierten Konzertsälen Europas, Russlands
und der USA, darunter im Megaron
Saal (Athen), im Großen Saal des Moskauer
Konservatoriums, in der United Nations
Hall (New York) und bei internationalen
Festivals wie den Schwetzinger Festspielen,
dem Oleg Kagan Musikfest Kreuth, dem
Hambacher Musikfest und anderen. Als Solist
musizierte er mit dem Kammerorchester
„Virtuosi di Praga“, mit dem Moskauer Radio-
Sinfonieorchester, dem Weißrussischen
Sinfonie- und Kammerorchester und dem
Sinfonieorchester von Nizhnij Nowgorod.
In den letzten Jahren ist Mikael Samsonov
immer wieder gefragter Solocellist bei führenden
Orchestern Deutschlands, darunter
das NDR-Sinfonieorchester Hamburg, das
SWR-Radiosinfonieorchester Stuttgart und
die Württembergische Philharmonie Reutlingen.
Zwischen Kunstanspruch,
Pädagogik und Bearbeitung
Zum Duo für Violine und Cello: Kodály, Cirri,
Halvorsen und Glière
Vielleicht ist es tatsächlich bezeichnend,
dass Heinrich Christoph Koch in seinem
dreibändigen Versuch einer Anleitung
zur Composition von 1782–93 die Flötenduos
von Georg Philipp Telemann und Johann
Joachim Quantz als erste originäre, weil kontrapunktisch
gesetzte instrumentale Duos
bezeichnet. Denn eigentlich waren es Arcangelo
Corelli und Johann Sebastian Bach,
die in der Kammermusik gattungsprägende
Maßstäbe setzten. So führte Corelli frühzeitig
die Trio- und Violinsonate nicht nur zu ersten
schöpferischen Höhepunkten, sondern
definierte sie für die Nachwelt exemplarisch.
Beide waren die zentralen kammermusikalischen
Genres der Generalbass-Epoche.
Bach hingegen war der zentrale Neuerer,
wenn es um die Sonate für Melodieinstrumente
ohne Generalbass sowie mit Cembalo
geht. Doch das Duo ohne Generalbass steht
als Gattung fast schon einzigartig da, seine
Entwicklung lässt sich nur schwer
nachvollziehen. Aus früherer Zeit fehlen nämlich die
großen Schlüsselwerke, die Modellcharakter
hätten haben können. Und es mangelt
zunächst auch an großen Persönlichkeiten,
die sich des Duos überhaupt annahmen.
Das verweist auf die Besonderheiten der
Gattung selbst: Die äußerste Beschränkung
und Reduktion der Besetzung ist kompositorisch
herausfordernd. Deswegen muss das
1914 entstandene und 1918 uraufgeführte
Duo op. 7 für Violine und Cello von Zoltán
Kodály zu den großen Kreationen gerechnet
werden, das zugleich die Kammermusik insgesamt
bereichert.
Denn wie Kodály klangfarblich und
harmonisch die Stimmen und Mittel ungewöhnlich
kombiniert, zeugt von schöpferischem
Erfindungsreichtum. Eine wesentliche
Voraussetzung für das dreisätzige Werk
waren Kodálys musikethnologische Feldforschungen.
Als einer der ersten hatte Kodály,
der selbst das Violinspiel beherrschte, ab 1905
die Volksmusik seiner ungarischen Heimat
studiert. Die Ergebnisse und Quellen veröffentlichte
er gemeinsam mit Béla Bartók ab
1906 in mehreren Sammlungen. Und wer
möchte, kann im letzten Satz eine Verbunkos-
Atmosphäre hören, wie sie später den
Kopfsatz von Bartóks Kontrasten für Violine,
Klarinette und Klavier von 1938 oder auch
dessen 2. Violinkonzert von 1930/31 prägen
wird.
Dieser ungarische Tanz und Musikstil
entstand im 18. Jahrhundert und wurde ursprünglich
beim Anwerben von Soldaten gespielt,
Sinti und Roma prägten den Verbunkos
maßgeblich. Sonst aber fällt insbesondere
die ausgeprägte Pentatonik (Fünfton-Musik)
auf, die auch die französischen Impressionisten
für sich zu nutzen wussten. Deshalb
lässt sich das Duo op. 7 ebenso als Vorstudie
zu Kodálys Schrift Pentatonik in der ungarischen
Volksmusik von 1917 hören. Vor allem
jedoch läutete dieses Werk 1914 eine aufregende
Renaissance des anspruchsvollen Duos
ein, denn: Im 19. Jahrhundert dominieren
Duos, die vornehmlich für den Unterricht
bestimmt sind. Davor sind wiederum ebenso
Bearbeitungen von Ohrwürmern aus Opern
besonders beliebt. Letztlich knüpft Johan
Halvorsen mit seiner Passacaglia nach Händel
von 1894 an diese Tradition an.
Zwar verarbeitet der Norweger, der als
Konzertmeister auch im Leipziger
Gewandhausorchester saß und mit der Nichte von
Edvard Grieg verheiratet war, keine populäre
Opernmelodie; prägnant ist die finale Passacaille
aus der Suite Nr. 7 g-moll (HWV 432
I/7) für Klavier von Georg Friedrich Händel
aber allemal. Sie wird in diesem Duo variiert.
Dabei zeigt sich, dass Halvorsens Sinn
für Instrumentation seinerzeit nicht grundlos
viel gelobt wurde: Tatsächlich werden die
Violine und das Cello derart virtuos zusammengeführt,
dass man stellenweise meint,
ein Streichquartett zu hören. Dagegen fanden
nicht nur die bedeutenden russisch-sowjetischen
Musiktheoretiker Boris Assafjew
und Iwan Sollertinski, sondern auch Dmitri
Schostakowitsch für Reinhold Glière lediglich
eingeschränkt schmeichelhafte Worte.
Als Pädagoge am Moskauer Konservatorium
wurde Glière geschätzt, Sergei Prokofjew
und Nikolaj Mjaskowski waren seine
bekanntesten Schüler. Glières kompositorisches
Schaffen bezeichnete Schostakowitsch
1954 hingegen als „umfangreichen Produktionsplan“.
In seiner Abhandlung Die Musik
in Russland von 1930 wird Assafjew deutlicher:
Hier wird Glière eine „leichte Hand
beim Komponieren“, „völliges Fehlen des
Charakteristischen“ und „Gleichgültigkeit
gegenüber dem künstlerischen Fortschritt“
attestiert. Glière sei ein „begabter Eklektiker“,
wobei seine Kammermusik besser wegkommt.
Diese zeuge von einer „gründlichen Aneignung
rationaler Prinzipien in Faktur und
Form“, von „Beherrschung der Themenentwicklung“
und von einer „durchaus nicht
häufigen Fähigkeit zu vorteilhafter Aussteuerung
des Ensembleklangs“. Das gilt auch für
die Acht Duos op. 39, die verschiedene Formen
und Satztypen reflektieren – auch wenn
Glières Violinduo op. 49 einen gewichtigeren
Gattungsbeitrag darstellt. Ob hingegen
das Duo op. 12 Nr. 4 von Giovanni Battista
– auch Giambattista – Cirri zu den didaktischen
Lehrstücken zu rechnen ist, bleibt
fraglich. Sicher, Cirri war selber Cellist und
ist heute vor allem bei solchen für seine Cellosonaten
und Cellokonzerte bekannt: Seine
Werke haben sich hauptsächlich im Unterricht
durchgesetzt, dem Konzertpublikum
sind sie so gut wie unbekannt.
Indes wurde dem Italiener aus Forlì die
seltene Ehre zuteil, eine seiner Sinfonien bei
den „Concert spirituel“ in Paris aufführen zu
dürfen. Das war 1763. Außer in Paris wirkte
Cirri auch in London. Sein Duo op. 12 Nr.
4 gehört zu einer insgesamt sechsteiligen
Werkreihe.
Alexander Feinland hat es auch
in seiner Sammlung Three Duets from the 18th
century herausgegeben und hier als „Duett
op. 5“ bezeichnet. Ob dieses Werk für den
eigenen Gebrauch komponiert wurde, bleibt
ebenfalls fraglich: Der langsame Mittelsatz
zeugt von kühner Stimmführung, raffinierter
Melodieerfindung und origineller Verschmelzung
unterschiedlicher, auch konträrer Charaktere.
Nicht minder bemerkenswert sind
im Finalrondo die plötzlichen Brechungen
im Moll und das umdüsterte Spiel am Steg.
Florian Olters