Konzert für Klavier und Orchester (1965) · Lichtspiel (1971)
Improvisationen (1959) · Eisblumen (1977)
Tomas Dratva, Klavier
kammerorchesterbasel
Paul Goodwin, Dirigent
Der Komponist János Tamás wurde 1936 in Budapest
geboren, lebte aber ab 1956 in der Schweiz. Seine
kompositorische Ausbildung erhielt er bei Sándor
Veress in Bern. Sein OEvre umfasst 120 Werke aus
nahezu sämtlichen Gattungen. Er starb 1995 in
Aarau. Der Betreuung seines Nachlasses widmet sich
der Förderverein János Tamás.
Das Klavierkonzert von 1965 steht in der Nachfolge
der Musik von Béla Bartók. Der hochvirtuose
Klavierpart ist einem großbesetzten, kontrapunktisch
eng verwobenen Orchestersatz gegenübergestellt. Zu
einer Uraufführung zu Tamás’ Lebzeiten kam es nicht,
erst im Februar wurde das Konzert erstmals gespielt,
der Mitschnitt der Uraufführung liegt auf dieser CD
vor.
Ein ungarischer Komponist in der Schweiz:
Klavierwerke von János Tamás
Ergänzt wird das Programm durch frühe
Kompositionen für Klavier solo. Die Stücke aus
dem Zyklus Eisblumen werden heute viel gespielt,
nicht zuletzt als Pflichtstücke des Schweizerischen
Jugendmusikwettbewerbs.
János Tamás:
Klavierkonzert & Frühe Klaviermusik

János Tamás schrieb sein Klavierkonzert
kurz nach Abschluss seines Kompositionsstudiums
bei Sándor Veress in Bern. Das
Werk entstand aus eigenem Antrieb, es gab
keinen Kompositionsauftrag, und eine Aufführung
war ebenfalls nicht gesichert. János
Tamás gab das Manuskript bald in die Hände
des Schweizer Pianisten Karl Engel und bat
ihn, es nach Möglichkeit uraufzuführen. Karl
Engel zeigte sich begeistert von der Komposition,
musste eine Aufführung aber vorderhand
ausschlagen („…Dein Klavierkonzert
liegt vor mir, ich habe es sorgfältig angeschaut.
Es ist ein hochinteressantes Werk, sehr vital, ein
schwerer Brocken! Ich werde es gerne spielen,
weiss nur nicht wann und wo. Nächste Saison
muss ich ein Konzert von Schibler uraufführen
(…). Es ist schwer, Neues zu bringen, z.B. bin
ich im Besitz von 2 nie gespielten Konzerten von
Busoni, die seit 3 Jahren angepriesen werden,
aber bis jetzt wollte sie keiner haben.“ K. Engel
in einem Brief an J.Tamás am 16.12.67). In
den Jahren danach gibt es in der gesamten
Korrespondenz von János Tamás keine Er
wähnung des Werkes mehr. 1973 wird ihm
das Manuskript von Karl Engel zurückgegeben,
mit einer Entschuldigungsnote des Pianisten
– es war nie zu einer Aufführung gekommen.
Inzwischen hatte János Tamás mit
anderen Kompositionen, mit Dirigieren und
mit seinen pädagogischen Aufgaben viele andere
Projekte zu betreuen, das Klavierkonzert
aus dem Jahr 1965 blieb als Manuskript in
der Schublade. Es wurde zu seinen Lebzeiten
nie aufgeführt. Tomas Dratva nahm sich im
Jahr 2007 des Manuskripts an und spielte
die Uraufführung des Werkes am 9. Februar
2009 im Rahmen der Boswiler Meisterkonzerte
zusammen mit dem kammerorchesterbasel
und Paul Goodwin.
Stilistisch orientiert sich János Tamás
in seinem Klavierkonzert an der Musik von
Béla Bartók – für einen ungarischen Musiker
eine nahe liegende Referenz. Bartóks eigene
drei Klavierkonzerte gehörten schon in den
60er Jahren zu den Klassikern der Moderne.
János Tamás, selber auch Pianist, gelingt es
einen virtuosen Klavierpart zu schreiben.
Viele kontrapunktische Elemente wechseln
zwischen Orchester und Klavier. In allen
drei Sätzen dominieren die rhythmischen
Elemente den musikalischen Charakter. Das
Orchester entfaltet mit vielen und Holz- und
Blechbläsern reiche Klangfarben.
I. Allegro moderato. Der erste Satz ist eher
kurz gehalten, es entsteht die Wirkung eines
kompakten „Introitus“. Es geht sofort zur
Sache, Klavier und Orchester beginnen den
Satz gemeinsam. Die Exposition ist geprägt
von dichten, akzentuierten Einwürfen des
Orchesters und einem quirligen zweistimmigen
Sechzehntelband im Klavier, welches
in energischen Oktavsynkopen endet. Ein
zweites, von Triolenfiguren geprägtes Thema
schleicht sich mit leicht grotesk tänzerischem
Charakter im Klavier in die Oktavenkaskaden
ein und gewinnt bald die Überhand. Das
Orchester jagt die immer wilder werdenden
Figuren des Klaviers, bevor sich die Musik
in einer sehr kontrapunktisch geschriebenen
Solokadenz entlädt.
II. Adagio, molto tranquillo. Dieser langsame
und lyrische Satz ist geprägt von drei Themen.
Am Beginn steht eine deklamatorische,
synkopische Gesangsmelodie des Klaviers,
welche abgelöst wird von einem ruhigen

„quasi Choral“-Refrain. Das dritte Thema
ist ein variantenreiches fugato, welches in den
Streichern beginnt und später von Klavier
und Holzbläsern weitergeführt wird. Zwei
Höhepunkte und der ruhige Refrain,
in welchem
die Musik während des Satzes immer
wieder zur Ruhe kommt, geben dem Stück
eine symmetrische Form.
III. Allegro con fuoco. Nach kurzen lauten
Bläserfanfaren wird in feurigem Tempo das
im 7/4-Takt gehaltene, rhythmisch punktierte
Hauptthema im Klavier lanciert. Es
folgt ein schneller Reigen zwischen Klavier
und Orchester, in welchem dieses Thema
variiert wird. Dazwischen kommt die Musik
immer wieder zur Ruhe in langsameren
„meno mosso“-Abschnitten, welche durch in
pianissimo gehaltene Paukenostinati geprägt
sind. Formal ergibt der Satz ein nahezu „klassisches“
Schlussrondo.
Bei den fünf Improvisationen (1959) handelt
es sich um den frühesten publizierten Zyklus
für Klavier solo von János Tamás. Stilstudien
gleich lotet der Komponist spontane pianistische
Klangwelten aus. Sind die Stücke I, III
und IV vor allem durch ihre Melodiegestaltungen
geprägt, stehen in Nummer II und
im Schlussstück rhythmische Prägnanz, großer
Klavierklang und virtuose Steigerungsläufe
im Vordergrund. Allen Stücken ist eine
grundsätzliche Suche nach einem persönlichen
Klavierklang eigen, eine Suche, die im
sechs Jahre später geschrieben Klavierkonzert
ihr Ziel finden wird.
Das kurze Stück Lichtspiel (1971) entstand
während eines Ferien- und Kompositionsaufenthaltes
im Berner Oberland. Das
Werk ist inspiriert vom Lichtspiel in einer
modernen Villa in Wengen, wo János Tamás
dieses Stück komponierte. Tamás entwickelt
in dieser Triller- und Tremoloklangstudie
schlüssige eigene Notationstechniken. Das
Stück bewegt sich mit Ausnahme der letzten
beiden Töne im oberen Register der Klaviatur,
eine sehr helle Grundfarbe prägt das
klangliche Geschehen.
Die Eisblumen (1977) erfreuen sich
nach wie vor großer Beliebtheit und sind
der jüngeren Schweizer Pianistengeneration
als Pflichtstücke des Schweizerischen
Jugendmusikwettbewerbs vertraut. Die 14
Miniaturen lassen sich in die besonders in
Ungarn wichtige Tradition pädagogischer
Klavierkompositionen stellen. Der Komponist
schreibt selber zu den Werken:
Eisblumen
Die 14 Miniaturen für Klavier vermitteln
aphoristische Stimmungsstudien für die Anschlagskunst,
deren pädagogische Zielsetzungen
im freien Gestalten mit sehr sensiblem, sprechendem
Ausdruck, im Klangsinn der Farbigkeit
und dem Pedalgebrauch liegen.
Das Atmosphärische, Meditative, das Rubato-
Spiel, Poesie und Klangzauber herrschen
vor und sollen Fantasie und Intuition anregen.
Spieler und Hörer mögen Freude an der leisen
Melancholie, an dem Entdecken des Verschlüsselten,
nur Angedeuteten haben.
„Eisblumen“: bizarre, kristallene, hauchzarte
Zeichnungen der Stille.
(© Hug&Co. Musikverlag, Zürich)
Tomas Dratva
János Tamás

János Tamás, 1936 in Budapest geboren,
1995 in Aarau gestorben, hat das schweizerische
Musikleben seit den 60er Jahren
mitgeprägt. In seiner weit gefächerten musikalischen
Tätigkeit als Musikpädagoge, Dirigent
und Pianist nahm das Komponieren
eine zunehmend zentrale Stellung ein. So
besteht der Nachlass aus einem kompositorischen
OEuvre von rund 120 Werken aus
nahezu sämtlichen Gattungen.
Nach der Emigration in die Schweiz
1956 schloss Tamás seine an der Franz-Liszt-
Musikhochschule Budapest begonnene Ausbildung
in Klavier, Komposition (bei Ferenc
Farkas) und Dirigieren am Konservatorium
Bern ab (Komposition bei Sándor Veress).
Erste Anstellungen als Solorepetitor am
Opernhaus Zürich und als Studienleiter am
amerikanischen Opernstudio „The Corbett
Foundation“ in Zürich folgten. Seit den 60er
Jahren wirkte Tamás als Dirigent des Städtebundtheaters
Biel-Solothurn, als Dirigent der
Schweizerischen Gastspiel-Oper und des Orchestervereins
Aarau sowie als Hauptlehrer für
Klavier an der Alten Kantonsschule Aarau.
János Tamás’ kompositorisches Schaffen
umfasst neben den beiden Oratorien Noahs
Tochter und Stimmen der Erde weitere Vokal-
und Chormusik, Orchesterwerke sowie
zahlreiche Kammer- und Klaviermusik. Er
schrieb u.a. Kompositionsaufträge für Paul
Sacher, die Schweizer Kulturstiftung Pro
Helvetia, für die SUISA-Stiftung für Musik,
für das Aargauer Kuratorium und für den
Kanton Solothurn.
„Vielleicht ist Musik etwas, was in uns
schon immer zeitlos da ist und nur darauf wartet,
komponiert zu werden. Zeitlos, allgemeingültig,
einfach und verständlich zu schreiben,
wäre mein Ideal, und dem Begriff Schönheit
möchte ich neue Inhalte geben. Musik kommt
mir vor wie ein unterirdischer See, aus dem der
Komponist schöpft. Ich frage mich nie, was ich
komponieren sollte, sondern viel eher: Welche
Musik durch mich komponiert werden möchte!“
(János Tamás)
Ein detailliertes Werkverzeichnis findet sich
unter
www.janostamas.ch
Tomas Dratva – Pianist

Als Solist und Kammermusiker konzertiert
der in Basel lebende Schweizer Pianist
Tomas Dratva in vielen Ländern Europas sowie
in den USA und Südamerika. Auftritte
an Festivals und in Konzertreihen führen ihn
u.a. nach Lissabon, Buenos Aires, London,
Bratislava, Washington DC, Prag, Stockholm,
Barcelona, New York City, San Francisco, Bad
Kissingen, Dallas, Berlin, Bayreuth, Minsk,
Krakau, Budapest, Tirana, Dresden, Paris, Milano,
Firenze; solistische Auftritte hatte er mit
vielen Orchestern, u.a. dem Tonhalle Orchester
Zürich, dem Basler Sinfonieorchester, der
Slowakischen Philharmonie Košice, der Kremerata
Baltica, dem kammerorchesterbasel,
der Praga Sinfonietta, der Slovak Sinfonietta,
dem Radiosymphonieorchester Bratislava und
dem Luzerner Sinfonieorchester.
Tomas Dratva publiziert mit großer Regelmäßigkeit
CDs und hat über 70 Werke
für diverse europäische Rundfunkstationen
aufgenommen. Sein reiches Solorepertoire
bereichert er durch eine vielseitige Konzerttätigkeit
als Kammermusiker. Hier nimmt
die Arbeit mit dem von ihm mitbegründeten
Trio Animæ eine wichtige Stellung ein.
Die Auseinandersetzung mit der Musik
des 20. Jahrhunderts sowie mit der zeitgenössischen
Musik bleibt für Tomas Dratva
eine wiederkehrende und wichtige künstlerische
Herausforderung. Er beteiligt sich regelmäßig
an Uraufführungen und arbeitet mit
zahlreichen Komponisten zusammen.
Seit mehreren Jahren setzt sich Tomas
Dratva für das kompositorische Schaffen
des schweizerisch-ungarischen Komponisten
János Tamás ein. Mit der Uraufführung und
Einspielung des Klavierkonzertes konnte er
eines der wichtigsten Werke dieses Komponisten
posthum ans Licht der Öffentlichkeit
bringen.
Neuland betritt Tomas Dratva auch im
Bereich der Wiener Klassik durch seine vielbeachtete
Rekonstruktion, Ersteinspielung
und die Aufführungen verschollener Klavierkonzerte
des böhmischen Mozart-Zeitgenossen
Leopold Koželuch.
Paul Goodwin

Paul Goodwin ist einer der vielseitigsten
Dirigenten Großbritanniens. Er genießt
hervorragendes Renommee auf dem Gebiet
der authentischen Aufführungspraxis von
Musik des Barockzeitalters sowie der Klassik
und Romantik, ist gleichzeitig aber ein
leidenschaftlicher Verfechter der zeitgenössischen
Musik.
Mit dem kammerorchesterbasel verbindet
Paul Goodwin eine erfolgreiche und
enge Zusammenarbeit. Das Programm, auf
modernen sowie historischen Instrumenten
gespielt, reicht von Bach und Händel über
Strawinsky bis zu zeitgenössischen Schweizer
Komponisten. Goodwin ist ständiger Gastdirigent
der Deutschen Radio Philharmonie
Saarbrücken Kaiserslautern. Er war sechs
Jahre lang Erster Gastdirigent des English
Chamber Orchestra und über zehn Jahre
Associate Conductor an der Academy of Ancient
Music. Ab 2011 wird er das Amt des
Generalmusikdirektors des Carmel Bach Festivals,
Kalifornien, übernehmen.
Paul Goodwin hat ein breitgefächertes
sinfonisches Repertoire und leitet Orchester
trawie
das BBC Philharmonic, Hallé Orchestra,
City of Birmingham Symphony Orchestra
und das Scottish Chamber Orchestra. In den
USA dirigierte er das Minnesota Orchestra,
das National Symphony Orchestra Washington,
das St. Paul Chamber Orchestra und
das Philadelphia Orchestra. In Europa war
er Gast der Staatsorchester von Belgien und
Spanien, des Philharmonischen Orchesters
Helsinki, des Royal Stockholm Philharmonic
Orchestra, der Sinfonieorchester des Bayerischen
und Hessischen Rundfunks, MDR
Leipzig, der Radiophilharmonie Hannover
des NDR sowie des Rotterdam Philharmonic.
Paul Goodwin wurde 2007 mit dem
Händelpreis der Stadt Halle für seine außergewöhnlichen
Leistungen im Dienste der
Aufführung von Werken Georg Friedrich
Händels ausgezeichnet.
kammerorchesterbasel
Das kammerorchesterbasel wurde 1984
von Absolventen verschiedener Schweizer
Musikhochschulen gegründet und gehört
heute zu den international gefragten Kammerorchestern
Europas.

Mit seinen Programmkombinationen
von Alter und Neuer Musik führt das kammerorchesterbasel
eine Tradition fort, die der
Musikmäzen und Dirigent Paul Sacher von
Basel aus äußerst erfolgreich etabliert hatte.
Zahlreiche Einladungen und Auszeichnungen
spiegeln die aufstrebende Entwicklung
zum reisefreudigen Kulturbotschafter
der Stadt Basel wieder. In jüngster Zeit erhielt
das kammerorchesterbasel den Förderpreis
der Ernst von Siemens Musikstiftung
(2006) und den 1. Preis Junge Ohren für das
Musikvermittlungsprojekt Windrose in Zusammenarbeit
mit den Education-Projekten
der Region Basel (2007).
In den vergangenen Jahren hat das kammerorchesterbasel
bei vielen Musikfestivals
internationale Anerkennung gefunden. Das
Ensemble gastiert regelmäßig in den renommierten
Konzerthäusern der europäischen
Musikzentren London, Amsterdam, Köln,
Berlin, Zürich, München, Wien, Valencia
und Paris.
Eine kontinuierliche Zusammenarbeit
besteht mit den Dirigenten Giovanni Antonini,
David Stern, Paul McCreesh, Kristjan
Järvi und Paul Goodwin.
Seit Juli 2007 ist die Credit Suisse
Hauptsponsor und Partner der kammmerorchesterbasel.
Weitere Infos:
www.kammerorchesterbasel.com