Johannes Brahms: Ungarische Tänze Nr. 2,3,5,7,8,11,20,21
Gabriel Fauré: „Dolly“ Suite op. 56
Peter Tschaikowsky: Dornröschen op. 66, Bearbeitung von
Sergej Rachmaninow
Stanislaw Moniuszko: Contredanses
Klavierduo Anna & Ines Walachowski
Bearbeitungen wie Originalwerke für Klavierduo spielen
Anna & Ines Walachowski auf ihrer zweiten
CD bei OehmsClassics. Zu ersteren zählt Sergej
Rachmaninows Arrangement der Ballettmusik
„Dornröschen“ von Peter Tschaikowsky. Diese
Transkription des erst 18-jährigen Rachmaninow
befriedigte Tschaikowsky in ihrer ersten Fassung allerdings
keineswegs, so dass er Alexander Siloti mit der
Fertigstellung beauftragte und auch selbst Änderungen
vornahm. Brahms Ungarische Tänze sind dagegen
tatsächlich Originalwerke, die der Komponist erst
später für Orchester und für Soloklavier bearbeitete. Eine Rarität sind die sechs Contredanses von
Stanislaw Moniuszko, dem Begründer der polnischen
Nationaloper. Moniuszko wurde 1819 im weißrussischen
Ubiel geboren, 1872 starb er in Warschau.
Eine schöpferische Werkstatt
Zur Gattung Klavierduo: Brahms, Fauré,
Tschaikowski, Moniuszko
Für Eduard Hanslick war das vierhändige
Klavierspiel „die intimste, die bequemste
und in ihrer Begrenzung vollständigste Form
häuslichen Musizierens“. Darüber hinaus eröffneten
entsprechende Bearbeitungen die
„bestmögliche Kenntnis der Orchesterliteratur
auf der eigenen Stube“. Damit formulierte der
Wiener Kritikerpapst wesentliche Motivationen
und Leitmotive in der Entwicklung des
vierhändigen Klavierspiels – sei es an einem
oder an zwei Instrumenten. In der Regel sind
Werke für zwei Klaviere vierhändig in ihrer
Formanlage größer als solche für ein Klavier
vierhändig. Auch verfügen zwei Instrumente
über vielfältigere Ausdrucks- und Spielmöglichkeiten,
nicht zuletzt werden der Klangraum
und die Klangfülle erweitert.
Gleichwohl ist beiden Formen des Klavierduos
jenes experimentelle Potenzial gemein,
das Hanslick anspricht. Tatsächlich
avancierte das Klavierduo für viele Komponisten
zu einer bedeutsamen schöpferischen
Werkstatt, und in besonderem Maße trifft
dies auf Hanslicks Freund Johannes Brahms
zu. Vierhändige Fassungen seiner Sinfonien
Nr. 3 und 4 zeugen von profunden Reflexionen
über das Verhältnis von Klavier- und
Orchesterfassungen. Sein 1. Klavierkonzert
op. 15 hat Brahms ursprünglich als Sonate
für zwei Klaviere konzipiert, und die Originalfassung
der Ungarischen Tänze ist für zwei
Klaviere vierhändig.
Die insgesamt 21 Tänze wurden jeweils
in zwei Teile veröffentlicht. 1869 erschienen
die Tänze Nr. 1 bis 10, 1880 folgten die Tänze
11 bis 21. Damals waren Charakterstücke,
die Volkstümlichkeit atmen, äußerst populär.
„Gesetzt von Johannes Brahms“, ist
in der Erstausgabe der Ungarischen Tänze
vermerkt, denn in ihnen greift Brahms auf
volkstümliche Weisen zurück, bei denen es
sich allerdings um Allusionen handelt, die
Assoziationen wecken. Brahms hat nicht
originale Volkslieder der ungarischen Roma
verarbeitet, authentische ungarische Folklore
werden erst Zoltán Kodály und Béla Bartók
für die Kunstmusik erschließen.
Die Orchesterfassungen wie auch die Bearbeitungen
für Soloklavier folgten 1872/73,
der mit Brahms befreundete Geiger Joseph
Joachim schuf zudem eine vollständige Fassung
der Ungarischen Tänze für Violine und
Klavier. Und nicht zuletzt war es Brahms, der
Hanslicks oben zitierte Bemerkung beherzigte
und zahlreiche große Orchesterpartituren
reduzierte: Schon in jungen Jahren schuf er
unter dem Pseudonym G. W. Marks Opernarrangements,
was zu einem wesentlichen
Merkmal der Gattung Klavierduo wurde.
Eine solche Bearbeitung stellt auch die hier
eingespielte Suite nach Dornröschen von Peter
Tschaikowski dar.
Das Ballett war Mitte Januar 1890 am
Mariinski-Theater in St. Petersburg uraufgeführt
worden und folgt dem bekannten
Märchen von Charles Perrault. Tschaikowski
selbst schuf eine Orchestersuite; die Fassung
für Klavierduo stammt indes von Sergei Rachmaninow.
Sie entstand 1890 auf Empfehlung
des bedeutenden Pianisten Alexander Iljitsch
Siloti – ein Cousin von Rachmaninow – für
Tschaikowskis Verleger Peter Jürgenson. Es
war Rachmaninows erstes Auftragswerk, und
beinahe hätte er sich damit gravierenden Ärger
eingehandelt.
Als nämlich Tschaikowski im Juni 1890
die fertige Partitur studiert, bemängelt er
die zwar korrekte, aber seiner Meinung nach
schülerhafte und wenig originelle Ausarbeitung:
Siloti übernimmt persönlich die Fertigstellung
der Transkription. Dagegen ist die
„Dolly“-Suite op. 56 von Gabriel Fauré – wie
die Ungarischen Tänze von Brahms – eine
Originalkomposition. Fauré hat das Werk
1893/96 für Hélène Bardac komponiert, die
wegen ihres Kleinwuchses auch „Dolly“ genannt
wurde. Sie war die Tochter von Emma
Bardac, mit der Fauré befreundet war und
mit der sich später Claude Debussy vermählte.
Die einleitende Berceuse wurde auch separat
publiziert und geht auf Faurés Frühwerk
Chanson dans le jardin von 1863 zurück, zudem
erklingen im dritten Stück Anspielungen
auf die Violinsonate A-Dur. Vom Verleger
stammen hingegen die Katzen-Beinamen Mia-
ou und Kitty-Valse der Stücke Nr. 2 und 4.
Henri Rabaud schuf 1906 eine Orchesterfassung
der „Dolly“-Suite, 1913 folgte Louis Laloy
mit einem Ballett, und Roy Howat erstellte
eine Bearbeitung für Soloklavier.
Besondere vierhändige Raritäten hat
schließlich
Stanislaw Moniuszko mit den
sechs Contredanses geschaffen. 1819 im
weißrussische Ubiel geboren und 1872 in Warschau
gestorben, gilt Moniuszko als Begründer
der polnischen Nationaloper und – neben
Frédéric Chopin – als Hauptvertreter
der polnischen Romantik. 1871 erschien sein
Handbuch der Harmonielehre, besonders populär
geworden ist die Oper Halka. Im damals
zum russischen Zarenreich gehörenden
Warschau wurden vielfach Opern und Kantaten
von Moniuszko verboten, oder es wurde
in den Text eingegriffen. Auch deswegen
wurde Moniuszko nach 1945 zum Vorkämpfer
des Sozialismus stilisiert. Im Westen sind
Moniuszkos Werke hingegen bis heute wenig
bekannt, obwohl sie wertvolle Beiträge darstellen:
Das belegen auch die Contredanses.
Florian Olters