Klassik  Sinfonische Musik
Bertrand de Billy & ORF Radio Symphonie Orchester Wien Ludwig van Beethoven: Symphonies no. 7 & 8 OC 640 SACD
1 Stück sofort lieferbar. Lieferung bis Montag, 5. Mai 2025 Preis: 15,99 EURO

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FormatSuper Audio CD
BestellnummerOC 640
Barcode4260034866409
LabelOehmsClassics
Erschienen am06.01.2010
Verkaufsrang15039
Mitwirkende/rMusiker Komponist/en
  • Beethoven, Ludwig van

Hersteller/EU Verantwortliche Person

Hersteller
  • UnternehmensnameNAXOS DEUTSCHLAND Musik & Video Vertriebs-GmbH
  • AdresseGruber Straße 46b, 85586 Poing, DE
  • e-Mailinfo@naxos.de

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      Symphonien Nr. 7 & 8
      Radio-Symphonieorchester Wien
      Bertrand de Billy, Dirigent

      Der Beethoven-Zyklus des RSO Wien unter Bertrand de Billy entwickelt sich stetig weiter. Die sorgfältig ausgeleuchteten Einspielungen setzen nicht auf äußere Knalleffekte sondern auf Texttreue, sorgfältige Disposition der Formteile und hochpräzises Zusammenspiel, also Kammerorchester-Kultur im großen Sinfonieorchester. Und wie so oft wirkt auch hier die Musik am unmittelbarsten, wo man sie selbst sprechen lässt, und sie nicht in Bahnen subjektiver oder gar exzentrischer „Interpretation“ zwängt. Dass gleichwohl unter Bertrand de Billys Dirigat ein charakteristischer Beethoven entsteht, beweisen die beiden Vorgänger-CDs mit der 3. der 5. und 6. Sinfonie.

      „Reif fürs Irrenhaus"?

      Anmerkungen und Gedanken zu Beethovens VII. Symphonie in A-Dur

      Drei Jahre ließ Beethoven zwischen der Vollendung seiner als „Pastorale“ berühmt gewordenen VI. Symphonie und den ersten Ideen zur VII. Symphonie in A-Dur vergehen, ehe wir in den Skizzenbüchern erste Versuche im Herbst 1812 festmachen können. Die vier Symphonien davor entstanden mehr oder minder ineinander übergreifend zwischen 1805 und 1808, danach wandte sich Beethoven anderen Formen zu, um dann mit der VII. seine heute vielleicht meistaufgeführte Symphonie zu schaffen. Der Erfolg blieb dem Werk seit seiner Uraufführung treu. Es blieb von den bekannten Klischees, wie sie der III., V. oder VI. anhaften, weitgehend verschont. Das nachhaltigste Etikett, das ihr umgehängt wurde, ist Richard Wagners Diktum von der „Apotheose des Tanzes“, das, wie wir in der Folge sehen werden, möglicherweise einen Aspekt zu stark beleuchtet, keineswegs aber die Charakteristik so verfälscht, wie das Bonaparte-Klischee das Bild der Dritten, das Wort von der „Schicksals-Symphonie“ die Fünfte, oder das Missverständnis einer simplen Naturmalerei im Sinn späterer Programmusik die Nummer sechs.

      Rhythmus, Schwung und vor allem in den Ecksätzen geradezu ungebärdiges Temperament sind tatsächlich Charakteristika der Siebenten. Sie treten umso stärker hervor, je mehr sich die Interpreten bemühen, den Tempo- und Vortragsbezeichnungen des Komponisten Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist auch die Notwendigkeit hervorzuheben, die Wiederholungs- Vorschriften Beethovens zu befolgen. Diese sind unzweifelhaft ein integraler Teil der Gesamtarchitektur des Werkes. Sie teilweise oder ganz zu ignorieren, bedeutet immer einen schwerwiegenden Eingriff und eine Veränderung der Werkstruktur.

      Dass gerade in der VII. Symphonie in der Vergangenheit die Wiederholungen so unterschiedlich beachtet wurden, hängt wiederum mit der besonders bei Beethoven vehement geführten Diskussion um dessen Metronombezeichnungen zusammen. Besonders in der Interpretationssicht, die aus der Romantik des 19. Jahrhunderts entstand, ist eine deutliche Verlangsamung der vorgeschriebenen Tempi eingetreten. Beethovens Metronomzahlen wurden entweder als falsch oder als falsch interpretiert hingestellt. Damit im Zusammenhang zu sehen ist auch die Tradition, die Wiederholungen insbesondere der Expositions-Abschnitte der Ecksätze zu eliminieren. Die ohnehin umfangreiche Symphonie erfährt mit Wiederholungen bei diesen reduzierten Tempi natürlich eine noch größere Ausdehnung!

      Erst die Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte im Zusammenhang mit der Originalklangbewegung, die genauere Kenntnis der Möglichkeiten der damaligen Instrumente und nicht zuletzt die Gewissheit, dass Beethovens Metronomangaben durchaus so und nicht anders gemeint waren, als sie dastehen, führten zu einem breiten Umdenken.

      Nach zwei Symphonien, die sozusage in „in medias res“ gingen (und zum letzten Mal in seinem symphonischen Werk), verwendet Beethoven hier wieder eine langsame Einleitung für den Kopfsatz. Diese lässt sich allerdings kaum mit der noch in der IV. Symphonie gebräuchlichen Form vergleichen, wobei die Verwendung dieses Kunstgriffs in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich gewertet wurde. Die Sicht der Interpreten spannt sich von der Behauptung, dass die langsame Einleitung des ersten Satzes der VII. Symphonie gleichsam ein eigener Satzteil sei – wie zum Beispiel das Gewitter als vierter Satz der Pastorale – bis hin zur Analyse, dass dies eigentlich nur die verlangsamte rhythmische Vorbereitung für den nachfolgenden Satz sei.

      Nun: Beethoven arbeitet gleich zu Beginn mit zwei Themen, wie in einer echten Exposition. Die Ideen bilden in sich durchaus einen großen Reichtum. Sie werden, zuerst von Holzbläsern vorgetragen, in verschiedensten dynamischen Varianten exponiert und dabei von Beginn an in ein festes rhythmisches Korsett von heftigen Orchesterschlägen eingefasst. Allerdings hat man in diesem „poco sostenuto“ den Eindruck, dass sich die Melodie immer wieder gegen den Versuch der rhythmischen Übermacht durchsetzen kann; fast könnte man dann im weiteren Verlauf auch einen Seitensatz festmachen, doch plötzlich beendet Beethoven die Diskussion: Die betont melodische Einleitung findet auf der Dominante ihr Ende, verbeißt sich mehr und mehr in den Ton E und wird innerhalb weniger Takte zum puren Rhythmus, der dann im folgenden Vivace fast fanatisch vom ganzen Orchester übernommen wird.

      Dem Hörer vermittelt dieses Geschehen den Eindruck einer Gegenüberstellung der These dieser Symphonie, „Rhythmus“, mit der Antithese, die vorangestellt ist. Oder aber man dechiffriert die Musik – wie so oft bei Beethoven – mit dem Prinzip „per apera ad adstra“ – hier jedoch auf geringstem Raum, wobei das Licht hier durch die Herrschaft des Rhythmus’ verkörpert wird.

      Rhythmus bleibt denn auch mehr als in jeder vorangegangenen Symphonie Beethovens das entscheidende Thema des Werkes. Darum kommt auch Richard Wagners Etikett von der „Apotheose des Tanzes“ durchaus dem Bestreben der Symphonie nahe. Wahrscheinlich rührt daher auch die ungebrochene Faszination durch alle Epochen und Zeiten. Denn dieser Radikalität, mit der sich Beethoven in der Folge dem Rhythmus verschreibt, begegnen wir erst wieder in großen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts.

      Unmittelbar nachdem sich der Rhythmus des Vivace aus dem Übergang des Poco sostenuto etabliert hat, führt Beethoven mit den Flöten das erste Thema ein: tänzerisch, leicht, beschwingt. Bevor es in den einleitenden Rhythmus übergeführt werden kann, wird es an einer Fermate zum Halten gebracht und kehrt plötzlich mit einer herrisch auffahrenden Geste, wie sie nur von Beethoven gestaltet werden konnte, im ganzen Orchester wieder, diesmal fast stampfend und triumphal.

      Es ist hier nicht Ort und Anlass, zu den zahlreichen vorliegenden Analysen dieser Symphonie eine weitere hinzuzufügen, sondern eher auf einige interessante Aspekte der Entwicklung der Beethovenschen Symphonik hinzuweisen. So wie Beethoven mit der langsamen Einleitung nicht, wie wir zuerst leicht vermuten könnten, in ein älteres Formschema zurückfällt, sondern die von Haydn geformte Struktur nur äußerlich übernimmt und sie sukzessive umwandelt, beginnt er nun, die einzelnen Teile des typischen Sonatensatzes bis an seine Grenzen zu prüfen und auch zu verändern. Für unsere Generationen, die wir mit dieser Musik so selbstverständlich aufwachsen, ist es schier unmöglich nachzuvollziehen, was es für die ersten Hörer der Uraufführungszeit bedeutet haben muss, wie Beethoven mit einem einzigen Thema und dem absoluten Diktat des Rhythmus nicht nur die gesamte Exposition gestaltet, sondern gleichzeitig damit auch jede herkömmliche Form der Durchführung über den Haufen wirft, und es ist wohl dadurch zu erklären, dass die Coda hier nicht mehr zur gefälligen Rekapitulation und einem gesitteten Schlusspunkt wird, sondern als eigenständiger Formteil den ganzen Satz noch unterstreicht, verstärkt und radikal beschließt.

      Der zweite Satz musste bei den beiden ersten Aufführungen der Symphonie unter Beethovens Leitung wiederholt werden. Man fragt also zuerst, was war für das damalige offensichtlich sehr kenntnisreiche Publikum so neu und begeisternd? Der zweite Satz der A-Dur-Symphonie wird sehr gerne mit dem zweiten Satz der Eroica verglichen. Nun ist aber der zweite Satz in der III. Symphonie mit „Marcia funebre“ überschrieben, und zudem lautet die Tempobezeichnung entsprechend Adagio assai. Hier in der VII. steht schlicht Allegretto, was an sich schon einen sehr deutlichen Unterschied markiert zudem gibt auch Beethovens Metronomangabe eine drastische Differenz vor. Beide Sätze sind jeweils im Zwei-Viertel-Takt notiert, aber in der Eroica gibt Beethoven als Metronom das Achtel mit achtzig an (antizipiert also schon eine notwendige Unterteilung in Vier). In der VII. Symphonie steht dagegen als Tempobezeichnung „Viertel gleich sechsundsiebzig“. Beethoven zeigt also klar an, dass das Grundtempo durchaus in einem Zweierschlag anzuführen ist, und dieser doch deutlich schneller als man es gemeinhin gewohnt ist. Gerade die Missachtung dieser Tempoangabe hat aber in der Vergangenheit dem Satz einen völlig anderen Charakter gegeben und den oft zitierten Vergleich mit der Eroica erst möglich gemacht.

      Ein weiteres Element, das den Charakter dieses zweiten Satzes bestimmt, ist die Verwendung des Wallfahrerliedes Sancta Maria, ora pro nobis, das die rhythmische Grundstruktur des Satzes prägt. Dass nun eine Veränderung des Tempos den Charakter eines Musikstückes drastisch verändern kann, ist eine Binsenweisheit. Die Dirigenten der romantischen Beethoventradition berufen sich mit ihrem langsamen Tempo wiederum auf die Grundlage dieses Wallfahrerliedes, wie zum Beispiel Otto Klemperer, der ja nun bis zum heutigen Tage zu Recht als großer Beethoven-Exeget angesehen wird. In seiner Kritik an den für sein Gefühl zu schnellen Tempi beruft er sich auf eben jenes Marienlied und kritisiert seinen damals viel jüngeren, aber nicht minder berühmten Kollegen Herbert von Karajan, der seinerseits nicht berüchtigt für allzu extreme Tempi war. An diesem Beispiel kann man sehr gut erkennen, wie Interpretation und damit auch das Verständnis vom Charakter eines Musikstücks sehr von der Zeit und der Mode abhängig ist – und, das muss wohl auch hinzugefügt werden, vom jeweiligen Erkenntnisstand der Musikforschung. Heute tendiert man keineswegs mehr dazu, Beethovens Tempoangabe im Widerspruch zur Marienmelodie zu sehen, vor allem wenn man bedenkt, dass dadurch der Satz im Zusammenhang der ganzen Symphonie bleibt und nicht den Charakter einer elegischen Insel bekommt. Der Dirigent der vorliegenden Aufnahme, Bertrand de Billy, lässt auch in Aufführungen – genauso wie hier auf der Aufnahme – kaum Raum zwischen dem ersten und zweiten Satz, und später auch zwischen dem dritten und vierten. Werden die Sätze zumindest in dem von Beethoven vorgeschriebenen Tempo genommen, kommen wir wieder zum Gedanken von These und Antithese: Nicht nur im vordergründigen Sinne, dass der zweite Satz der Tradition folgend nicht in A-Dur, sondern in a-Moll steht, sondern auch insofern, als das rhythmische Element der melodischen Linie hier bloß unterlegt ist. In seinem beinahe bedrohlichen Pochen gibt es allerdings keineswegs auf und gemahnt in einigen wenigen Ausbrüchen fast drohend daran, wer den Charakter dieser Symphonie beherrscht.

      Zwar hält sich Beethoven scheinbar an das herkömmliche Schema, dass der Mittelteil nach A-Dur zurückschlägt. Allerdings mag in der Stimmung nicht wirklich ein Dur- Charakter vorherrschen. Vielmehr bleibt der Grundcharakter des Satzes auch im Mittelteil beherrschend. Beethoven benutzt in diesem Satz hauptsächlich die Variationsform, im späteren Verlauf auch ein Fugato; das Formprinzip ist vordergründig gesehen fünfteilig (A-B-A-B-A), der Maggiore-Teil erscheint also zweimal, allerdings abgewandelt, und wie schon im ersten Satz spielt die Dynamik in der Dramaturgie eine herausragende Rolle. Schon frühe Analysen betonen, dass das langsam anschwellende und dann wieder abschwellende Crescendo bzw. Decrescendo die Illusion einer sich nähernden und wieder entfernenden Prozession vermittelt. Ein besonderes Merkmal dieses Satzes ist auch, dass er jeweils von einem Quartsextakkord eingerahmt wird. Dieser Akkord vermittelt am Anfang des Satzes fast so etwas wie wenn der Komponist sagen würde: „Folgendes:“ Am Ende des Satzes jedoch vermittelt dieser Akkord – er wird nicht aufgelöst – ein Ende des bis dahin unausgesetzten Fortschreitens.

      Gerade diese Unaufgelöstheit, oder, wenn man so will, Ungelöstheit des zweiten Satzes verstärkt noch den polternden Beginn des nachfolgenden Presto. Obwohl Beethoven tendenziell seine Scherzi in die Grundtonart stellt, weicht er hier „offiziell“ nach F-Dur aus, da er bereits im zweiten Satz mit a-Moll und A-Dur sehr nahe der Grundtonart blieb. Wie man aber in der Folge sieht, hält es ihn in der neuen Tonalität nicht lang. So wie diese Symphonie durch den Rhythmus beherrscht wird, bleibt auch die Grundtonart A-Dur fast durchwegs insistent, und der Anfang des dritten Satzes bildet auch eine Verklammerung mit der langsamen Einleitung, nämlich dem Oboenthema, dessen Abwandlung wir hier begegnen (siehe die Untersuchungen von J.K. Knowles). Wie die meisten dritten Sätze in dieser Schaffensphase Beethovens ist auch dieser fünfteilig angelegt, und das Thema des Trios in D-Dur fußt (laut Abbé Stadler) auf einem niederösterreichischen Wallfahrerlied, das von Holzbläsern und Hörnern über dem liegenden Grundton A vorgetragen wird, der sich schon aus dem Scherzo herleitet. Eine besondere Kostprobe von Beethovens grimmigem Humor bildet das Ende des Satzes, wo er scheinbar noch ein drittes Mal ins Trio zurückkehren will, aber dann mit fünf schnellen Orchesterschlägen den Satz abrupt beendet.

      Praktisch jede Symphonie Beethovens seit der Eroica ist auf den Finalsatz hin konzentriert. Ebenso erschließt sich der Gehalt meist in diesem vierten Satz, und so stößt man auch beim Finale der VII. wieder auf ein Motiv, das nicht nur nachdenklich stimmt, sondern sich auch schon davor bei Beethoven immer wieder findet. Bereits in der Vergangenheit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass sich zur Zeit der Komposition der Niedergang Napoleons abzeichnete. Bei der Uraufführung war der Franzosen-Kaiser bereits geschlagen; entsprechend war das zweite Stück des Abends Beethovens Komposition „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“. Von allen Vermutungen, welche Grundlage dem Hauptthema des vierten Satzes mit seinen charakteristischen Sforzati auf dem zweiten Taktteil zugrunde liegt, scheint doch die, dass es sich um den Revolutionsmarsch Le triomphe de la République von F.J. Gossec handelt, die naheliegendste. Es wäre nicht das erste Mal, dass Beethoven Musik aus der französischen Musikperiode verwendet (Finale V. Symphonie), und man weiß, wie intensiv Beethoven Aufstieg und Fall Napoleons verfolgte. Der ganze Satz ist von einer ungestümen Wildheit wie kaum ein anderer in Beethovens symphonischem Werk, aber ob dieses Furors darf man nicht übersehen, wie kunstvoll Beethoven die Vernetzung mit den vorhergehenden Sätzen betreibt, wie er die Form des Sonatensatzes erweitert, indem er auch in diesem Satz der Coda breiten Raum einräumt und sie weit über ihre bisherige Funktion erhebt. Auch gewinnt man ob der Dominanz des Hauptthemas über das wesentlich schwächere Seitenthema den Eindruck einer Monothematik. Auch hier gibt es eine Brücke zurück zur langsamen Einleitung des ersten Satzes: In der ausführlichen Coda dominiert wiederum der Grundton E, also die Dominante.

      Die Wucht dieses Allegro con brio muss die Zeitgenossen geradezu verschreckt haben. So ist Carl Maria von Webers Ausspruch überliefert, Beethoven sei nun „reif fürs Irrenhaus“. Wenig schmeichelhaft auch die Vermutung von Robert Schumanns Schwiegervater Friedrich Wieck, der sinngemäß meinte, Beethoven könne diesen Satz wohl nur in betrunkenem Zustand komponiert haben. So viel zur Wirkung auf Zeitgenossen, selbst wenn diese zum gebildeten Musikestablishment gehörten. Tatsache ist allerdings, dass die Symphonie beim Publikum von der Uraufführung an bis in unsere Tage für jubelnde Säle sorgt; ihre Wirkung und Sprache hat sich als wahrhaft universell und zeitlos behauptet.

      „Weil sie viel besser ist"

      Anmerkungen zu Beethovens VIII. Symphonie

      Mit der VIII. Symphonie begegnen wir dem Phänomen eines Werks aus Beethovens fruchtbarster Schaffensperiode, das auf den Programmen der internationalen Konzertsäle dennoch verhältnismäßig selten zu finden ist. Fast zeitgleich mit der – von Anfang an – äußerst populären VII. entworfen und zu einem Zeitpunkt, als die d-Moll- Symphonie, also die IX., bereits angedacht war, bildet sie eigentlich das Bindeglied zwischen diesen beiden sinfonischen Monumenten und läuft wohl so Gefahr, verkannt und unterschätzt zu werden. Schon die Tonart FDur lässt ihr hin und wieder den Beinamen „Kleine F-Dur Symphonie“ zukommen, was einerseits mit der ungleich berühmteren Pastorale in gleicher Tonart zusammenhängt, zum anderen aber auch mit der Tatsache, dass sie – zusammen mit der I. – die kürzeste Symphonie ist, die Beethoven je komponiert hat. All das sind Äußerlichkeiten, aber sie spielen in der Rezeption des Werkes von der Uraufführung bis zum heutigen Tag eine nicht zu unterschätzende Rolle.

      Bereits der Rezension der Uraufführung konnte man entnehmen, dass der Erfolg des Werkes nicht dem entsprach, was man von Beethovens Novitäten üblicherweise gewohnt war. Zudem wurde in dem gleichen Konzert auch die VII. wiederholt, die von Anfang an zu den erfolgsträchtigsten Stücken des Komponisten gehörte. Beethoven reagierte laut seinem Schüler Czerny auf die lauwarme Aufnahme im Vergleich zur VII. mit der zynischen Anmerkung, sie hätte nicht so viel Erfolg gehabt „…weil sie viel besser ist“.

      Zumindest war der Autor jener oben genannten Uraufführungs-Rezension hellsichtig genug zu bemerken, dass die VIII. wohl ebenso viele Schönheiten und Eigenheiten wie die bereits vorangegangene Symphonien Beethovens besitzt und es verdienen würde, für sich allein genommen betrachtet und gehört zu werden. Genau das wollen wir in der Folge tun und die Aufmerksamkeit auf einige Besonderheiten lenken, die dieses Meisterwerk auch ausmachen.

      Es gibt mindestens drei Epitheta, die dieser Symphonie gern beigefügt werden. Das erste ist „humorvoll“ (was immer jeder Einzelne darunter verstehen mag). Das zweite „klassizistisch“, aber im Sinne von „rückwärtsgewandt“ zu verstehen. Und das dritte „idyllisch“. Gegen Klischees lässt sich bekanntlich schwerlich angehen. Doch vielleicht sollte man sich nur einmal den Beginn der Symphonie wirklich genau anhören. Ähnlich wie in der III., V. und VI. Symphonie verzichtet Beethoven gänzlich auf die langsame Einleitung. Allerdings geht er nach unserer Ansicht hier sogar noch ein Stück weiter. Ob wir die zwei Orchesterschläge in der III. betrachten, die gleichsam eine an den Beginn der Symphonie gestellte Zusammenfassung des Werkes darstellen, oder das in der V. zweimal vorgetragene pochende Motiv, oder die Anfangsphrase der VI., die wie ein großer Doppelpunkt wirkt: sie alle sind – stark verschlüsselt und auf das knappste reduziert – Einleitungen.

      Nicht so in der VIII. Symphonie. Mit brachialer Wucht und auftrumpfender Geste prescht, Allegro vivace e con brio, das Hauptthema herein; Beethoven fällt also gleichsam mit der Tür ins Haus. Da ist nichts gemütlich, nichts klassizistisch oder gar „witzig“. Hier wird sehr selbstbewusst und ohne Rücksicht auf Tradition und Erwartungshaltung einfach eine Behauptung an den Beginn gestellt. Formal steht wie in jedem ersten Satz einer Beethoven-Symphonie die musikalische Gestaltung im Zeichen des Sonatensatzes. Statt der üblichen zwei arbeitet Beethoven aber in seiner vielleicht kürzesten Symphonie mit drei Themen. Dadurch allein verschiebt sich schon die Gewichtung der gesamten formalen Anlage. Wie bereits in der VII. Symphonie räumt Beethoven der Coda ein ungleich größeres Gewicht ein – überhaupt werden die Grenzen zwischen Durchführung und Reprise immer undeutlicher. Der Schluss des Satzes hatte ursprünglich noch eine andere Gestalt. Nach einer Privataufführung im Palais des Erzherzogs Rudolph änderte Beethoven ein ziemlich abruptes, fast prosaisches Ende in die heute bekannte Version. (Was Beethoven für die Symphonie im Allgemeinen geschaffen hat, war ein Bewusstsein, das sich über Schubert, Brahms, Bruckner bis Mahler immer mehr verfestigte und verbreiterte, nämlich, dass die Form dem Inhalt gemäß adaptiert werden muss, was bis zu Mahlers Riesenwerken führte, die dann endlich die Form der Symphonie gänzlich zu sprengen drohen).

      Einen langsamen Satz im eigentlichen Sinn gibt es in dieser Symphonie noch weniger als in manchen anderen Beethovens. Das an zweiter Stelle stehende Allegretto scherzando hat nicht wenig zu den Klischees über die „kleinere“ F-Dur-Symphonie beigetragen. Die alten Behauptungen, die sich in Folge einer der zahlreichen Fälschungen des Beethoven-Biographen Anton Schindler gehalten haben, nämlich dass die Grundlage zu diesem Satz ein Kanon für den Metronom- Erfinder Mälzel gewesen sein soll, in dem Mälzels revolutionäre Erfindung porträtiert und karikiert werden sollte, haben sich längst als unwahr erwiesen. Allerdings: der scheinbar gleichmäßig tickende Grundrhythmus des Satzes und seine versteckten rhythmischen Fallen sind bis heute unverwechselbare Charakteristika dieses Werkes.

      Ähnlich wie die kompositorischen Neuerungen, die Beethoven im formalen Bereich vornimmt, bildet dieser zweite Satz ein meisterhaftes Beispiel von Beethovens Kunst der feinen Rhythmusverschiebungen und Experimente in Takt und Metrum. Alle diese Kunstfertigkeiten sind beim ersten Hören gar nicht so auffällig. Beim Studium hingegen versteht man mehr und mehr, warum Beethoven meinte, die VIII. sei mit das Beste, was er bis dahin geschrieben habe.

      Auch der dritte Satz bedient das Klischee der Gemütlichkeit und der Klassizität mehr durch die Tempobezeichnung als durch den Inhalt. Beethoven überschreibt den Satz mit „Tempo di Minuetto“, eine anachronistisch anmutende Angabe, die er ansonsten lediglich in seiner I. Symphonie verwendet hat. Auch hier sollte man sich nicht aufs Glatteis führen lassen. Wenn man überhaupt von einem Beethoven-spezifischen Humor sprechen kann, dann von einem grimmig-zynischen, dem es ganz offensichtlich Spaß macht, seine Hörer, und es handelte sich bei den Erstaufführungen der Beethoven‘schen Werke um ein zum Teil sehr gelehrtes und kenntnisreiches Publikum, in die Irre zu führen. Wenn der dritte Satz überhaupt etwas mit der Tradition der Menuette zu tun hat, dann eher im Sinne eines parodistischen Elements, wenn man alleine die übertriebenen Akzente am Satzanfang betrachtet. Das Trio wiederum verweist mit seinem Ton des Österreichischen Ländlers auf die zukünftige Entwicklung der Symphonie bei Schubert und Bruckner.

      Der vierte Satz, Allegro vivace, überrascht, relativ ähnlich dem ersten, bei aller Kürze wiederum mit ausgefeilten formalen Experimenten. So überkreuzt er hier die Form des Sonatenhauptsatzes mit der des Rondos, ein Modell, das Beethoven schon in früheren Symphonien angelegt hat. Und auch in diesem Finalsatz zeigt sich, ähnlich dem einleitenden Satz, dass Beethoven die Proportionen zwischen Einleitung, Durchführung und Reprise zugunsten letzterer verschiebt.

      Dadurch, dass Kopf- und Finalsatz ziemlich ähnliches Gewicht haben, erhält die Symphonie ihre Klammer. Ebenso dadurch, dass sich im letzten Satz motivische Beziehungen zum ersten ebenso finden wie zum zweiten. So mögen die Sätze zueinander in dieser Symphonie wohl disparater und eigenständiger wirken, zum Schluss bleibt auch die VIII. eine „Finalsatzsymphonie“ wie Beethoven es seit seiner Eroica immer angestrebt hat.

      Wie immer man die Symphonie sehen mag, man soll sich nicht von vordergründigen Klischees blenden lassen. Dieses verhältnismäßig kurze Werk behauptet seinen Platz zwischen den Giganten der VII. und IX. durchaus zu Recht, man könnte auch sagen: Beethoven musste nach der VII. die VIII. schreiben, um dann die IX. komponieren zu können.

      Michael Lewin

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      SACD 1
      • Symphony No.. 7 in A Major, op. 92
        • 1.Poco sostenuto – Vivace13:40
        • 2.Allegretto08:03
        • 3.Presto – Assai meno presto08:23
        • 4.Allegro con brio08:26
      • Symphony No. 8 in F Major, op. 93
        • 5.Allegro vivace e con brio08:27
        • 6.Allegretto scherzando04:04
        • 7.Tempo di Menuetto05:50
        • 8.Allegro vivace07:24
      • Total:01:04:17