Klassik  Sinfonische Musik
Simone Young & Philharmoniker Hamburg Anton Bruckner: Symphony No. 3 (first version 1873) OC 624 SACD
1 Stück sofort lieferbar. Lieferung bis Donnerstag, 22. Mai 2025 Preis: 15,99 EURO

Detailinformationen weniger

FormatSuper Audio CD
BestellnummerOC 624
Barcode4260034866249
LabelOehmsClassics
Erschienen am01.09.2007
Verkaufsrang9365
Mitwirkende/rMusiker Komponist/en
  • Bruckner, Anton

Hersteller/EU Verantwortliche Person

Hersteller
  • UnternehmensnameNAXOS DEUTSCHLAND Musik & Video Vertriebs-GmbH
  • AdresseGruber Straße 46b, 85586 Poing, DE
  • e-Mailinfo@naxos.de

Presseinfosweniger

Weitere Veröffentlichungen des Künstlersweniger

    Das könnte Sie auch interessierenweniger

      Beschreibung weniger

      Symphony No. 3 (first version 1873)
      Philharmoniker Hamburg
      Simone Young, conductor

      Ich bin eher eine Freundin von Live-Erlebnissen und glaube nicht so recht an Studioaufnahmen“ sagt Simone Young im Interview mit der Zeitschrift Park Avenue. „Unsere CDs werden deshalb Mitschnitte von Konzerten sein. Mit den Hamburger Philharmonikern hat sich gezeigt: Das ist ein Orchester, mit dem ich etwas zu sagen habe.“
      Die Presse reagierte mit enthusiastischen Besprechungen auf den CD-Erstling aus Hamburg (Bruckners 2. Sinfonie, Urfassung 1872): „Analytischer als ihr Vorbild Daniel Barenboim, aber auch impulsiver als der unvergessene Günter Wand, erweckt Simone Young den frühen Bruckner zu orchestralem Leben.” (KulturSPIEGEL)
      Nach dem fulminanten Erfolg des Erstlings folgt nun Vol. 2 mit der dritten Sinfonie, ebenfalls in ihrer Urfassung (1873), ebenfalls als Live-Einspielung in der unverwechselbaren Akustik der Hamburger Musikhalle.

      „So ist das Leben“
      Zu Anton Bruckners III. Symphonie

      Im Herbst 1872 – unmittelbar nach Vollendung seiner II. Symphonie – machte sich Anton Bruckner an die Komposition der III. Er befand sich mitten im fruchtbarsten Schaffensabschnitt seines Lebens. Zwischen Oktober 1871 und Mai 1876 entstanden praktisch ohne Unterbrechung die Symphonien II bis V, und auch der Arbeitsverlauf an der III. Symphonie war ungewöhnlich zügig. Bereits im Juli 1873 waren die drei ersten Sätze fertig, und am 31. August des Jahres vollendete er die Skizze des 4. Satzes in Marienbad, nachdem der Ausbruch der Cholera ihn aus Wien vertrieben hatte. Mit diesem Manuskript (und dem der II.) im Gepäck machte Bruckner im September dieses Jahres seine berühmt gewordene Reise nach Bayreuth zu Richard Wagner, wo dieser nach kurzer Durchsicht der Partituren eine Widmung zu akzeptieren bereit war – und zwar eben jener im Fertigwerden begriffenen Dritten. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Wien arbeitete Bruckner die fehlenden Teile aus und fügte wahrscheinlich erst dann, einer zur damaligen Zeit verbreiteten Sitte folgend, Zitate des Widmungsträgers in die neue Symphonie ein. Am 31. Dezember des Jahres war das Werk abgeschlossen, und Bruckner nahm nach eigenem Bekunden unmittelbar darauf die Arbeit an der IV. in Angriff.

      Erhalten ist die dritte Symphonie in drei Versionen. Der Urversion von 1873, die weder veröffentlicht noch zu Bruckners Lebzeiten aufgeführt wurde und nur dank der Widmungspartitur an Richard Wagner aus dem Archiv in Bayreuth vollständig erhalten ist. (Die Uraufführung dieser Fassung erfolgte erst 1946!)

      Dann die Fassung von 1877/78, die bereits einschneidende Veränderungen enthält und im Wesentlichen die Grundlage der von Bruckner selbst dirigierten Uraufführung am 16. Dezember 1877 im Wiener Musikverein bildete, die bekanntlich zum legendären Fiasko geriet.

      Schließlich unterzog der Komponist 1889/90 das Werk einer letzten, wiederum tiefgreifenden Revision, die ebenfalls, wie schon die zweite Fassung, zu Lebzeiten des Komponisten verlegt wurde. Außerdem existiert eine völlig für sich stehende Version des Adagios aus dem Jahre 1876, die erst 1980(!) von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt wurde.

      Soweit zu den Eckdaten der Entstehung und der weiteren Geschichte dieser Symphonie. Doch kehren wir ins Jahr 1873 zurück: die Schnelligkeit des Kompositionsvorgangs ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Erstfassung der III. Symphonie in d-Moll, mit der wir es hier zu tun haben, rein taktmäßig (nicht was die Aufführungsdauer betrifft!) mit 2056 Takten das längste Werk ist, das Bruckner in seinem Leben komponieren sollte. Nicht weniger ambitioniert als der Umfang war der Plan, der dem Werk zu Grunde liegt: Nichts Geringeres als die IX. Symphonie seines Abgottes Ludwig van Beethoven – natürlich ebenfalls in d-Moll! – bildete – wie wir in der Folge gleich sehen werden – das Vorbild, sowohl für den Aufbau, aber auch teilweise für den Charakter dieser Schöpfung.

      Hier spiegelt sich auch sogleich die Janusköpfigkeit des Menschen und Künstlers Bruckner. Einerseits unsicher und vor allem verunsicherbar wie kaum ein zweiter der Großen der Musikgeschichte, andererseits nur inspiriert von größten Formen, verwegensten Konzepten und daraus resultierend zu einer Tonsprache findend, die in Klang und Ausdruck nicht nur einzigartig bis dahin war, sondern auch bis heute bleiben sollte. Es musste also Beethovens IX. sein, die Symphonie der Symphonien! Bruckner hat sich in seinen Studien wiederholt mit Beethoven und insbesondere seiner Formensprache analytisch auseinandergesetzt. Besonders die III. und die IX. waren wiederholt Objekte eingehender Studien.

      Die Übereinstimmung in der Anlage zwischen Beethovens IX. und Bruckners III. ist augenfällig – besonders in der hier vorliegenden Urfassung: Die Einleitung könnte stellvertretend als Urbild für die Anfänge sämtlicher Bruckner-Symphonien stehen: Über eine leere Quinte legt sich das berühmte Hauptthema, zuerst in der Trompete vorgetragen, bevor es, über eine lange Steigerung aufbereitet, unisono im Fortissimo des gesamten Orchesters vorgetragen wird. Der ganze Satz nimmt sich bei näherem Hinsehen wie eine Kopie der Anlage des Stirnsatzes von Beethovens IX. aus, ebenso die 5-teilige Anlage des folgenden Adagios. Nur in einem Punkt ist Bruckner vom Vorbild abgewichen. Den Versuch, das Scherzo an zweite und das Adagio an die dritte Stelle zu stellen, wird er – wiewohl er ihn bereits in der Erstfassung seiner II. in die Tat umgesetzt hatte – erst wieder in den Symphonien VIII und IX (letztere wieder in d-Moll!) realisieren.

      Im Finale werden – gleich wie im Vorbild – die Motive der vorangegangenen Sätze kurz angerissen – auch das ein Stilmittel, das in der II. bereits seinen Niederschlag fand.

      Überhaupt sollte die unmittelbare Nähe zur zweiten Symphonie deutlicher hervorgehoben werden. Dass der Bezug zwischen den beiden Werken bisher nicht deutlich wurde, rührt auch daher, dass beide bis vor relativ kurzer Zeit nur in ihren späteren Gestalten und nicht in den Erstfassungen bekannt waren, in denen sich diese Parallelen deutlich manifestieren. (Auch wird man besonders der Zweiten Symphonie nur wirklich Gerechtigkeit widerfahren lassen und sie aus dem Schatten der unmittelbar darauf entstandenen „Schwester-Symphonie“ lösen können, wenn man sie in ihrer Erstfassung kennen lernt und möglichst häufig aufführt).

      Als Bruckner in Bayreuth den „Meister aller Meister“ (Bruckner über Wagner) um die Erlaubnis zu einer Widmung ersuchte, legte er ihm die vollendete II. und die in Vollendung begriffene III. vor. Für ihn waren die beiden Stücke also gleichwertig. Erst spätere Generationen betrachteten die III. als das würdigere Werk. Auch der von Bruckner selbst geprägte Name „Wagner-Symphonie“ entstand erst, nachdem sich Wagner für die III. als widmungstragendes Werk entschieden hatte. Deshalb erscheint es auch eher wahrscheinlich, dass die von vielen Kommentatoren über Gebühr hervorgehobenen Wagner-Zitate in dieser Symphonie – zumindest zum größten Teil – erst im Nachhinein interpoliert wurden. Dass diese „Zitate“ in Wahrheit sehr dezent und gar nicht so leicht auszumachen sind (und zudem, bis auf ein einziges im Adagio, in den folgenden Bearbeitungen wieder getilgt wurden), wird viel weniger besprochen. Auf die Frage, woraus denn Bruckner „zitiert“ habe, bekommt man kaum eine eindeutige Antwort. Nun denn: am bekanntesten sind die Zitate aus Walküre und Tristan – aus ersterer das so genannte „Schlafmotiv“ (übrigens das einzige, das auch in den späteren Fassungen im 2. Satz „überlebte“) und aus letzterem das „Sehnsuchtsmotiv“. Manche Exegeten meinen auch Anklänge aus Meistersinger und Tannhäuser auszumachen; deutlich hingegen das Zitat aus Lohengrin – hier das beziehungsreiche Motiv aus dem 2. Akt „Gesegnet sollst Du schreiten“ – allerdings in einer sehr „tannhäuserhaften“ Verarbeitung. Alle diese Motive sind keineswegs wörtlich übernommen, sondern im Gegenteil bewusst frei und beziehungsreich zum eigenen thematischen Material gesetzt. Und nicht nur der über alles verehrte Meister aus Bayreuth wird zitiert. Wie schon in der II. Symphonie verwendet Bruckner am Schluss der Exposition des 1. Satzes ein „Miserere“-Zitat aus dem „Gloria“ seiner eigenen d-Moll-Messe, und die II. Symphonie selbst wird mit ihrem Hauptthema explizit zitiert!

      Der Musikwissenschaftler Constantin Floros weist in seinem Bruckner-Buch auch auf ein mehr oder weniger direktes Liszt-Zitat hin – wir werden darauf noch zu sprechen kommen. All genannten Zitate stehen nicht nur musikalisch, sondern oft auch mit dem unterlegten Text oder der dramaturgischen Bedeutung in beziehungsreichem Zusammenhang zum Gesamten. So ist es nur zu bedauern, dass sich Bruckner genötigt sah, in der Hoffnung auf eine Aufführung des Werks das Geflecht der Anspielungen in den späteren Bearbeitungen weitgehend zu zerstören, wahrscheinlich dem Drängen seiner engsten Umgebung folgend. Betrachten wir die formale Anlage der Urversion der III. Symphonie von 1873 genauer, um anhand der Strukturen die Unterschiede aufzeigen:

      Gemäßigt, misterioso steht als Tempobezeichnung über dem ersten Satz (in den späteren Fassungen wird es dann: Mehr langsam, misterioso heißen) – allerdings – wie auch in der IX. von Beethoven steht als Taktbezeichnung: alla breve. Der Beginn des Satzes gemahnt überhaupt in jeder Hinsicht unmittelbar an das große Vorbild: bewegte Streicherfiguren im pp, liegende Holzbläserakkorde – dann im 5. Takt das Thema, mit dem Wagner nicht nur die Symphonie, sondern auch Bruckner selbst noch später assoziiert haben soll; im p ertönt das Thema in der Solotrompete – eigentlich auch das ein „Selbstzitat“, denn es ist jenes Thema, mit dem Bruckner – hier allerdings in den Streichern – seine Annullierte, dann als „Nullte“ bekannt gewordene Symphonie eröffnete. Wie es bei Bruckner nicht anders sein konnte, liegt dem Satz die Sonatensatzform zugrunde – wenn auch in höchst eigener Spielart und Varianten. Nach dem ersten Thema in der Trompete werden in der Exposition zwei weitere Themen etabliert: Ein lyrisches Seitenthema gewinnt zuerst zum im p vorgetragenen Trompetenmotiv einen zunächst gar nicht allzu großen Kontrast. Im Laufe des gesamten Werkes, vor allem in der Durchführung des ersten, aber am meisten in der Verarbeitung des letzten Satzes soll sich noch zeigen, was in den beiden Anfangsthemen steckt und vor allem, was Bruckner mit ihnen vorhat. Das dritte Thema bildet eine choralartige Bläserfigur, bevor die Exposition mit dem oben erwähnten „Miserere“-Zitat abgerundet wird. Mit diesem Choral hat es insofern eine eigene Bewandtnis, als, wir haben in der Einleitung schon darauf hingewiesen, Constantin Floros hier zu allen Wagner- und Selbstzitaten auch ein indirektes Liszt-Zitat ausmacht, denn der Choral erweist sich als Paraphrase des katholischen Chorals: Crux fidelis inter omnes, und zwar in der Gestalt, wie sie am Ende der Symphonischen Dichtung Die Hunnenschlacht von Franz Liszt verarbeitet ist (vielleicht sollte man hier daran erinnern, dass Bruckner seine II. Symphonie Franz Liszt zueignen wollte). Damit ergibt sich natürlich ein weiterer Zusammenhang im Zitaten- und Motivgeflecht, besonders zwischen den liturgischen Hinweisen des ersten Satzes.

      Die nun folgende Durchführung ist bereits in der für Bruckner typischen Variantentechnik gearbeitet, wenn auch nur vollständig in der vorliegenden Urfassung erkennbar: Der langsame Aufbau, vor allem durch eine sorgfältig abgestufte Dynamik gekennzeichnet, kulminiert zuerst im fff des ersten Themas, um dann mit dem zweiten Thema die Gegenbewegung einzuleiten und dann erst in die Reprise zu gehen, wo das lyrische Thema in der dem Werk zu Grunde liegenden parallelen Dur-Tonart erklingt, um erst in der Coda zurück ins angestammte d-Moll zu finden. Nun erklingt gegen Ende dieser Durchführung eines der für Bruckner so typischen Rätsel, dessen Auflösung (im Finale) man in der Urfassung mit sämtlichen Zitaten und Selbstzitaten eher nahekommt als später, wo die meisten dieser Hinweise getilgt wurden. Denn hier zitiert Bruckner nicht nur ab Takt 463 (–466) Anklänge aus Tristan und ab 479 (–488) aus Walküre sondern auch nicht weniger als fünf Mal das Hauptthema seiner II. Symphonie. Noch einmal drängt der dynamische Aufbau des Satzes ins fff – bricht dann unvermittelt ab – das lyrische zweite Thema erklingt noch einmal in ruhigem p, um dann ebenso entschlossen, fast grimmig vom fff des ersten Themas quasi „weggewischt“ zu werden und den Satz in nur 16 Takten zu einem geradezu explosiven Schluss zu bringen.

      Einer der wesentlichsten Gründe für viele Interpreten, heute wieder zur Urfassung dieser Symphonie zurückzukehren, liegt im Aufbau des Adagios. Zwar verlor der zweite Satz in den späteren Umarbeitungen rein von der Länge weniger als der erste oder gar der vierte Satz, aber die grandiose fünfteilige Architektur musste in letzter Konsequenz einem 3-teiligen Aufbau weichen. Auch bei diesem Satz liegt natürlich als Grundmuster wieder die IX. Beethoven vor: hier wie dort wechselt das Adagio in 4/4 mit einem Andante-Teil in ¾ ab – und was Bruckner in der Urfassung seiner III. Symphonie hier – ausgehend vom verehrten Vorbild – gestaltet, war bis dahin im wahrsten Sinne des Wortes „unerhört“:

      Feierlich überschreibt Bruckner die einleitende Streichermelodie in Es-Dur im p. Interessant, dass dieser Satz also einen Halbton höher beginnt als die Grundtonart, worin ganz eigentlich schon die Ursache der eigentümlichen Chromatik dieses Satzes ihren Anfang nimmt. Die Dynamik nimmt nach 8 Takten ziemlich rasch zu, um nach weiteren 4 Takten ins ff zu gelangen – noch einmal versucht sich das Einleitungsmotiv mit seiner p- Feierlichkeit durchzusetzen, wird sofort vom ff zum Schweigen gebracht und nach einer Generalpause, die bei Bruckner immer bedeutet: „Ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen“, folgt eine so typische Bruckner-Kadenz, wie sie „brucknerscher“ kaum sein kann. Robert Haas, der frühere Herausgeber der Bruckner Gesamtausgabe, behauptete, sie sei seine „Lieblingskadenz“ gewesen. Hörner leiten nun ins Andante über. Eine Melodie, von den Bratschen intoniert, benutzt fast sämtliche Töne der chromatischen Skala – übrigens gleich dem zweiten Thema der Exposition des ersten Satzes. Diese Melodie gehört zweifellos zu den Eingebungen Bruckners, die das Einzigartige in seinem Werk charakterisieren. Man assoziiert den Vorzug, auf engstem Raum thematisches Material zu entwickeln und weiterzuführen, eigentlich mit Bruckners Antipoden Johannes Brahms. Dass Bruckner hierzu gleichermaßen imstande war, bezeugt der Beginn dieses Andante-Teils. Erneut eine Generalpause, die in diesem Schaffensstadium Bruckners so überaus wichtige Gliederungsfunktionen hatte und deren weitgehende Eliminierungen in den späteren Fassungen (wie schon bei der II. Symphonie) durchwegs zu Lasten des dramatischen Ausdrucks und der Verständlichkeit gehen. Danach jenes Misterioso, zu dem es (in späteren Jahren) auch eine der wenigen persönlichen Erklärungen Bruckners zu seinem Werk gab; nämlich, dass die Melodie ihm am 16. Oktober 1872, dem Namenstag seiner geliebten verstorbenen Mutter Theresia, eingefallen sei. Auch schon in der eng verwandten II. war der Hintergrund des Adagios durchaus biographisch zu sehen, und so gibt es keinen Grund, diese späte Mitteilung Bruckners nicht ernst zu nehmen. Wenn man bedenkt, dass erst kurz vor diesem von Bruckner genannten Datum nach seinem eigenen Bekunden die II. abgeschlossen wurde, könnte man diesen „Misterioso“-Einfall als eine Art Keimzelle zur ganzen Symphonie bezeichnen. Bruckners Zitieren und Selbst-Zitieren spielt bei dieser Symphonie eine weit größere Rolle, als man gemeinhin annehmen will. Constantin Floros weist in seinen Bruckner-Studien darauf hin, dass das Hauptthema des Adagios eine deutliche Ähnlichkeit mit dem Benediktus-Thema der 1842 entstandenen C-Dur-Messe ( „Windhager“) hat: an Zufälle glaubt niemand, der sich eingehender mit den Strukturen und der Entstehungsgeschichte der Brucknerschen Schöpfungen beschäftigt.

      In diesem Zusammenhang steht auch das erneute Zitat des „Schlaf-Motivs“ aus der Walküre. Auch hier möchte man Floros beipflichten, der hier wiederum einen Zusammenhang zur „entschlafenen“ Mutter sieht. Wir wollen dieses Gedankengebäude noch weiter führen – nun aber für einen Moment zum weiteren Verlauf des Satzes zurückkehren. Nach dem Misterioso, das den zweiten Teil des Andante bildet, wird die Musik zuerst wieder ins bewegtere Andante und schließlich zurück ins Adagio in 4/4 geführt. Neuerlich steigert sich die Musik mit retardierenden Einschüben bis ins ff – wird durch eine der berühmten Generalpausen unterbrochen – es folgt vom p bis ins pp die Überleitung zuerst in den Streichern, welche dann in die Holzbläser steigen – darauf eine erneute Generalpause, und nochmals kehrt das Andante zurück – die Celli tragen die Melodie vor, es folgt nach einem kurzen Ritenuto das zweite Thema in den Hörnern, die Violinen übernehmen in extrem schwierigen Synkopen (es gibt genügend Gründe, warum die Urfassungen bei Orchestermusikern nicht allzu beliebt sind) den Anfang und plötzlich – womit wir an die früheren Überlegungen anschließen – intoniert das gesamte Orchester ziemlich unverkennbar das Motiv aus dem 2. Akt von Wagners Lohengrin: „Gesegnet sollst Du schreiten“ – auch das lässt sich unschwer ins vorher aufgezeigte Gedankengebäude des 2. Satzes integrieren. Erst danach wird zum 5. Teil des Satzes in allmählich abebbenden Wellen – sowohl dynamisch, als auch durch ständige Rubati im Tempo – zum letzten Adagio-Block übergeleitet. Hier zieht Bruckner das Hauptthema in der Coda noch zwei Mal grandios ins fff, bevor der Satz nach einem nochmaligen ff-Aufbäumen und dem erwähnten Zitat des „Schlaf-Motivs“ schließlich im pp endet.

      Im Scherzo sind wir so recht bei Bruckner, wie er auch in späteren Werken unverkennbar hervortritt. Es ist jener Satz, der im Laufe der Umgestaltungsprozesse im Verhältnis am wenigsten „gelitten“ hat.

      Der Komponist hat es ungeachtet der Tempobezeichnung: Ziemlich schnell nicht eilig, zur Sache an sich zu kommen: eine Einleitung von 16 Takten steht dem eigentlichen Scherzo voran. Allerdings enthält diese Einleitung bereits das wesentliche Grundmuster dieses Satzes: sechs legato gespielte Achtelnoten der zweiten Violinen gegen drei pizzicato gespielte Achtel in den Bässen – dieser Wechsel der Bewegung der 2. Violinen mit Pizzicati der tiefen Streicher charakterisiert den Satz im Wesentlichen sehr gut. Das Überraschende des in seiner Heftigkeit so typischen Bruckner-Scherzos ist ein Mittelteil, den man zuerst bereits für das Trio halten möchte, der aber eben nur den Widerspruch zur fast gewalttätigen Ausgelassenheit des Einleitungsteiles bildet. Das eigentliche Trio ist dem Mittelteil des Scherzos verwandt, jedoch in seinem Tanzcharakter deutlicher ausgeprägt und nicht nur der österreichischen Volksmusik, sondern auch dem Erbe Schuberts verpflichtet. Es ist ebenso 3-teilig angelegt – allerdings ohne den fast dialektischen Widerspruch, der den Rahmen bildet.

      Das Finale ist nun jener Satz, in dem die Unterschiede von der Urfassung zu den späteren Bearbeitungen am deutlichsten hervortreten. 764 Takte umfasst er hier. Später werden es 638, am Ende gar nur 495! Hier zeichnen die Zahlen doch schon ein deutliches Bild, welche Einschnitte Bruckner im Laufe der Jahre meinte, seinem Werk zumuten zu müssen.

      In diesem 4. Satz scheint – vor allem in der vorliegenden Erstfassung – wieder das Vorbild der IX. Beethovens durch. Das kurze Anspielen von Reminiszenzen aus den vorangegangenen Sätzen (in der II. Symphonie bereits erprobt) ist wohl die deutlichste Parallele.

      Auffällig für Bruckner-Kundige ist die Tatsache, dass der Komponist hier – ganz gegen seine sonstige Gewohnheit und Vorliebe – teilweise unregelmäßige Taktgruppen verwendet, eine Besonderheit, die in späteren Fassungen – fast möchte man sagen: selbstverständlich – eliminiert wurde. Wie im ersten Satz in alla breve notiert, herrscht hier nun allerdings nicht mehr das Misterioso, sondern in einem deutlichen „Allegro“ hat das Ostinato der Streicher nichts mehr geheimnisvoll Tropfendes; es rollt – auch vom pp ausgehend – nach neun Takten schnell in ein ff, wo sich das gesamte Orchester bereits zu einem ersten furiosen Ausbruch vereinigt, das aus einem ungebärdigen Verwandten des Trompetenthemas des ersten Satzes zu bestehen scheint. Dieser Ausbruch wird erweitert und fortgeführt, um ebenso abrupt zum Anfang zurückzukehren und sich nochmals aufzubauen bis hin zu einer Zäsur von zwei vollen Takten. „Etwas langsamer“ erklingt nun das Seitenthema, eine berühmte Eingebung Bruckners, zu der es ebenso wie zum Misterioso des 2. Satzes eine spätere Erklärung des Komponisten gibt: Als er mit einem Schüler am „Sühnhaus“ vorübergeht, in dem der Dombaumeister Schmidt aufgebahrt liegt, sind aus einem benachbarten Palais am Schottenring Klänge einer Tanzveranstaltung zu vernehmen. Da meint Bruckner: „Sehen Sie, hier im Haus großer Ball, und daneben liegt im Sühnehaus der Meister auf der Totenbahre! So ist das Leben – und das habe ich im letzten Satz meiner dritten Symphonie schildern wollen. Die Polka bedeutet den Humor und den Frohsinn in der Welt – der Choral das Traurige, Schmerzliche an ihr. “

      In Musik gesetzt erscheint das folgendermaßen: Pizzicati in Celli und Kontrabässen, Hörner und Trompeten stimmen einen feierlichen Choral an, währen die Violinen eine Polka intonieren – das alles grundiert von den fortlaufenden Pizzicati der tiefen Streicher. Auch hier wieder erweitert der Komponist zuerst das Thema und lässt es dann ein zweites Mal anspielen. Interessant ist aber auch, dass in diesem zweiten Themenkomplex erneut die Reminiszenz an seine eigene II. Symphonie erklingt. Die dritte Themengruppe besteht aus synkopierten Oktaven, die unisono vom ganzen Orchester vorgetragen werden und die eigentliche Exposition choralartig abrunden. In der Durchführung wird nun nicht nur der enge thematische Bezug zwischen Kopf- und Finalsatz weiter evident, der ganze Kosmos dieses gewaltigen Entwurfs beginnt sich zu entrollen und aufzuklären – dies allerdings machen die späteren Fassungen kaum noch deutlich. Die kunstvolle Verbindung der eigentlichen Themen des Satzes, die Verwandtschaft zu den Themen früherer Sätze, die angedeuteten Zitate werden nur in der Urform wirklich so klar verständlich. Vor der Coda erklingen explizit noch einmal Themen der früheren Sätze: Nach dem zweiten Thema des ersten Satzes, der Einleitung von Adagio und Scherzo, und danach einer kurzen Überleitung, schließt, durch Trompetenfanfaren und einen ff-Blechbläserchoral vorbereitet, das Riesengebäude dieser Symphonie mit einem gewaltigen Effekt: In strahlendem D-Dur erklingt als Coda das leise Trompetenthema des Beginns im dreifachen Forte.

      Es kann nie gelingen, ein tönendes Meisterwerk mit Worten auch nur einigermaßen zutreffend zu beschreiben. Man kann höchstens versuchen, neugierig zu machen und auf Besonderheiten hinzuweisen. Im Laufe dieser Darstellung wurde bereits an mehreren Stellen die Überlegenheit der Urfassung gegenüber den späteren Versionen hervorgehoben, zumindest was die Verständlichkeit des Gedankengebäudes und – daraus entwickelt – die Grundzüge der Gesamtarchitektur betrifft. Selbstverständlich sind die Urfassungen in jeder Hinsicht radikaler – was Dynamik, welche unmittelbarer und weniger vorbereitet eintritt, Tempi und Tempo-Relationen und die Ausführlichkeit der Übergänge angeht – allein 21 Zäsuren trennen die Perioden in der Erstfassung des Finales; in der letzten Fassung bleiben noch ganze 3(!) über. Dazu zählen auch die Zitate und Selbstzitate. Vor allem die Anklänge an Wagner-Themen haben, wie in mehreren Untersuchungen klar gezeigt wurde, durchaus auch Gliederungscharakter. Das Eliminieren dieser Zäsuren verändert die Übergänge und damit den Zusammenhang zweifellos.

      Für die Orchestermusiker, wir haben es schon angedeutet, bilden diese früheren Fassungen rein spieltechnisch teilweise erheblich größere Schwierigkeiten als die späteren Versionen. Das liegt auch daran, dass der Komponist zu diesem Zeitpunkt keine Rücksicht auf leichtere Spielbarkeit, leichtere Durchhörbarkeit oder Verständlichkeit nahm. Das Partiturbild der Frühfassungen ist tatsächlich deutlich komplexer und mag durchaus auch noch den brillanten Organisten Bruckner widerspiegeln. Diese Zäsuren, die noch deutlich vom Gefühl herrühren, wenn die Neuregistrierung der Orgel eine Zäsur notwendig machte, wurde von Bruckner unmittelbar in sein musikalisches Empfinden der früheren Werke übernommen. Späterhin – auch schon in der Erstfassung der unmittelbar folgenden IV. Symphonie – werden die einzelnen Gruppen des Orchesters kompositorisch enger miteinander verwoben. Selbstverständlich hat Bruckner in Laufe der Umarbeitungen weiter unmittelbar am motivischen Material gearbeitet, was in einigen Fällen durchaus auch als Verdichtung verstanden werden kann. Wie auch immer – was hier ein Vor- oder Nachteil ist, braucht man nicht zu entscheiden – die Fassungen existieren heute friedlich nebeneinander. Aber ohne Frage hört man in dieser ersten Version das, was Bruckner zur Zeit der Entstehung unmittelbar am Herzen lag. Die Form ist hier – und zwar nur hier! – wie der Gesamtplan der Architektur, die ursprüngliche Phrasierung vieler Teile und letztlich wie das unverfälschte geistige und musikalische Gebäude vollständig erhalten. Deshalb hat sich gerade bei der III. Symphonie in den letzten Jahren diese Fassung bei einer neuen Generation von Interpreten weitgehend durchgesetzt, und man muss heute kein großer Prophet mehr sein, um vorauszusehen, dass in der allernächsten Zeit die Erstfassungen der Bruckner-Symphonien sich zumindest gleichberechtigt neben den späteren Fassungen auf dem Konzertpodium, aber auch auf Tonträger behaupten werden.

      Der vorliegende Live-Mitschnitt einer Aufführung der Philharmoniker Hamburg unter der Leitung ihrer Chefdirigentin Simone Young aus der Musikhalle in Hamburg soll dazu ein weiterer Beitrag sein.

      Michael Lewin


      Dieser Aufsatz verdankt insbesondere folgenden Publikationen wertvolle Hinweise und Erkenntnisse:

      Constantin Floros: Anton Bruckner, Hamburg 2004 Egon Voss: Bruckners Schmerzenskind. In: Die Symphonien Bruckners, München 1998
      Manfred Wagner: Mehrere Arbeiten, die der Autor dankenswerterweise im Manuskript zur Verfügung gestellt hat und die verschiedentlich veröffentlicht waren; insbesondere: Der Wandel des Konzepts; daraus: Bruckners Dritte Symphonie in d-Moll in den Fassungen von 1873, 1878 und 1889
      Leopold Nowak: Vorwort zur Partitur der III. Symphonie d-Moll, Wien 1977 Anton Bruckner Gesamtausgabe: III. Symphonie d- Moll. Revisionsbericht von Thomas Röder, Wien 1997

      Hrn. Dr. Wilhelm Sinkovicz sei für wertvolle Korrekturen gedankt.

      Die Philharmoniker Hamburg

      Seit über 175 Jahren prägen die Philharmoniker Hamburg den Klang der Hansestadt. Gegründet am 9. November 1828, wurde die „Philharmonische Gesellschaft“ schnell zu einem Treffpunkt bedeutender Künstler wie Clara Schumann, Franz Liszt und Johannes Brahms. Große Dirigenten standen am Pult des Orchesters: 1905 leitete Gustav Mahler hier die Hamburger Erstaufführung seiner Fünften Sinfonie, ihm folgten unter anderem Sergej Prokofjew, Igor Strawinsky und Otto Klemperer. Karl Muck, Eugen Jochum, Joseph Keilberth, Wolfgang Sawallisch, Horst Stein, Aldo Ceccato, Gerd Albrecht, Ingo Metzmacher u.a. prägten als Chefdirigenten Programm und Klang, Gastdirigenten wie Karl Böhm brillierten am Pult. Seit August 2005 hat die australische Dirigentin Simone Young als Hamburgische Generalmusikdirektorin die künstlerische Leitung des traditionsreichen Orchesters inne.

      Heute geben die Philharmoniker Hamburg mit großem Erfolg 30 Konzerte und Kammerkonzerte pro Saison in der Laeiszhalle, aber auch an anderen Orten wie beispielsweise in der St. Michaelis-Kirche. Neben zehn philharmonischen Abonnementskonzerten stehen vier Sonderkonzerte, darunter das überaus erfolgreiche Silvesterkonzert „Salut!“ und die „Summertime“, sowie zahlreiche Kammerkonzerte auf dem Programm. Darüber hinaus spielen die Philharmoniker Hamburg fast alle Opern- und Ballettvorstellungen in der Hamburgischen Staatsoper.

      Die stilistische Bandbreite der 130 fest angestellten Musiker sucht in Deutschland ihresgleichen. Generalmusikdirektorin Simone Young verbindet das Konzertprogramm inhaltlich mit dem Spielplan der Oper – „rote Fäden“, die eine spannende und vielfältige Konzertsaison versprechen: „Unser Programm umfasst Geschichte und Zukunft – Musik von Mozart bis hin zu zeitgenössischen Werken“. Zu hören gibt es neben Orchesterstücken moderner Komponisten wie Peter Eötvös, Brett Dean und Friedrich Cerha, auch große Werke des klassisch-romantischen Repertoires. International gefragte Dirigenten sind ebenso bei den Philharmonikern zu Gast wie herausragende Solisten.

      Titelliste weniger

      SACD 1
      • 1.1. Gemäßigt, misterioso25:26
      • 2.2. Adagio. Feierlich.19:20
      • 3.3. Scherzo. Ziemlich schnell06:40
      • 4.4. Finale. Allegro17:09
      • Total:01:08:35