Leopold Mozart · Wolfgang Amadeus Mozart · Franz Xaver Mozart
Konrad Jarnot, baritone
Alexander Schmalcz, piano
Rechtzeitig zum 55. Deutschen Mozartfest Augsburg präsentiert Konrad Jarnot gemeinsam mit seinem Klavierpartner Alexander Schmalcz ein außergewöhnliches Mozartprogramm mit Liedern aus drei Komponisten-Generationen der Familie Mozart, nämlich von Leopold, Wolfgang Amadeus sowie Franz Xaver Mozart (dem Sohn von Wolfgang Amadeus und Constanze). Das hier vorliegende Liedrepertoire von Franz Xaver Mozart ist erst zum zweiten Mal auf Tonträger veröffentlicht, in der vorliegenden Bariton-Lage handelt es sich um eine Premiere.
Konrad Jarnot gehört zu den gefragtesten Konzert- und Opernsängern der jungen Generation. Er gastiert weltweit mit renommierten Orchestern, Dirigenten und Liedbegleitern. Seine besondere Liebe gehört dem Liedgesang, der ihn zu den wichtigen Musikfestivals und Konzertsälen im In- und Ausland führt. Er studierte Gesang bei Prof. Rudolf Piernay an der Londoner Guildhall School of Music and Drama und bei Dietrich Fischer-Dieskau.
Alexander Schmalcz Klavier
Alexander Schmalcz erhielt seinen ersten Klavierunterricht als Mitglied des Dresdner
Kreuzchores. Sein Musikstudium nahm er 1990 an der Musikhochschule Dresden auf und wechselte an das Utrechter Conservatorium.
1993 wurde er Student von Graham Johnson an der Guildhall School of Music and Drama in London.
Der junge Pianist ist Preisträger des Gerald
Moore Award 1996 und des Megan Foster Accompanist Prize. Mit seinem Klaviertrio gewann er 1995 den Wettbewerb des Nederlands
Impresariaat.

Als Liedbegleiter arbeitet er mit inter-nationalen Sängern wie Matthias Goerne, Grace Bumbry, Konrad Jarnot, Stephan Genz, Stephan Loges, Marcus Ullmann, Eva Mei, Doris Soffel und Peter Schreier, dessen Abschiedstournee er begleitete, sowie mit dem Petersen Quartett.
Alexander Schmalcz ist zu Gast in den großen Musikzentren Europas, Amerikas und Japans und bei renommierten internationalen Festivals, unter anderem in der Wigmore Hall London, Schubertiade Schwarzenberg, Salzburger
Festspiele, Schwetzinger Festspiele, Prager
Frühling, Concertgebouw Amsterdam, Leipziger Gewandhaus, Kölner Philharmonie, Royal Opera House Covent Garden London, La Monnaie Bruxelles,
Berliner Philharmonie, Wiener Musikverein,
Tanglewood Festival, Liederhalle Stuttgart, Kennedy Center Washington D.C., Frauenkirche Dresden, Elmau Musikfestival, Rotterdam Festival
und Schubertiade Vilabertran.
Seit 1999 unterrichtet er an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf und in weltweiten Meisterkursen u.a. in der Londoner
Wigmore Hall. Auf Einladung der Konzertgesellschaft
München war der Künstler Juror beim Wettbewerb „Das Deutsche Romantische
Lied“ 2004 in München.
Dreiklang Mozart
Willkommen zum imaginären Familientreffen
der Mozarts. Eine hochherrschaftliche
Tafel, an der Wolfgang Amadé so gern Platz genommen hat, ist zwar nicht gedeckt, dafür aber ein „Musikantentisch“ ohnegleichen. Es begrüßen Sie drei Generationen
durchaus unterschiedlicher Künstler, deren Leben jedoch eins gemeinsam hat: eine gewisse Tragik. So blieb sowohl Großvater Leopold (1719–1787) als auch Sohn Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus (1756–1791) – wie der komplette Taufname dieses Vorstandsvorsitzenden im Komponistenhimmel
lautet – der lebenslang erstrebte Posten eines Hofkapellmeisters verwehrt.
Der in Augsburg geborene Leopold war ein umfassend gebildeter „Homme de lettres“, als Theoretiker und Pädagoge nicht zuletzt durch seine Violinschule eine europaweite Berühmtheit,
hatte es jedoch in der Kapelle des Salzburger Fürsterzbischofs binnen 20 Jahren vom Geiger lediglich zum Vize-Kapellmeister gebracht. Schuf sich Leopold Mozart durch ein ihm eigenes generelles Misstrauen („die Menschen sind alle Bösewichter“, Brief vom 20. Oktober 1777) selbst seine Feinde, bleiben einige zeitgenössische Reaktionen auf das erwachsen
gewordene Wunderkind Wolfgang Amadeus nach wie vor unverständlich. Ob

dahinter nun eine latente Angst vor allzu viel Können stecken mochte – oder einfach nur erbärmliche Ignoranz…
Die gewaltige Zäsur in Mozarts Leben weg vom gefeierten Idol der europäischen Adelsgesellschaft
hin zum später freischaffenden, wenngleich gutbezahlten Auftragskomponisten
markiert das Schreiben Kaiserin Maria Theresias vom 12. Dezember 1771 an ihren in Mailand residierenden Sohn, Erzherzog Ferdinand,
Generalgouverneur der Lombardei, der mit dem Gedanken spielte, das 15-jährige Musikgenie
unter seine Fittiche zu nehmen: „Du fragst mich, ob Du den jungen Salzburger in Deine Dienste nehmen sollst. Ich wüsste nicht, wozu und warum, da Du doch nicht nötig hast, einen Komponisten und ähnlich nutzloses Volk anzustellen. Ich sage es Dir nur, um Dich nicht mit unnützen Leuten zu belasten. Zudem hängt ihm eine große Familie an.“
Beim Enkel Franz Xaver Mozart (1791–1844) liegt der Fall anders, wenngleich auch seine Karriere letztlich tragisch überschattet war. Wolfgang Amadeus Mozart und Constanze geb. Weber hatten sechs Kinder, von denen aber nur das zweite, Carl Thomas, und das sechste, Fanz Xaver Wolfgang, überlebten. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der Beamter wurde, hatte Mutter Constanze nur ihren jüngeren
Sohn für den Musikerberuf vorgesehen, den sie programmatisch in „Wolfgang Amadeus“
umbenannte (sein familieninterner Spitzname
war übrigens „Wowi“). Wie schon Zeitgenossen
richtig erkannten und wie fast alle Eintragungen in sein Stammbuch, zahlreiche Kritiken seiner Konzerte und ganz besonders das anlässlich seines Todes verfasste Gedicht Franz Grillparzers („Des Vaters Name war es eben / Was Deiner Tatkraft Keim gestört“) zeigen,
waren der vom Vater ererbte Name und die damit verbundenen großen Erwartungen in seine Fähigkeiten das größte Hindernis für die künstlerische Entfaltung Franz Xaver Wolfgangs. Am Vergleich mit dem Vater ist er künstlerisch gescheitert.
Seit 1813 ging Franz Xaver Mozart in Lemberg,

wo er sich 1807 niedergelassen hatte, im Haus des Gubernialrates von Baroni-Cavalcabò
ein und aus. Nach der Rückkehr von seiner großen, 1819 begonnenen und drei Jahre dauernden Konzertreise durch Europa gab er der Tochter des Hauses, Julie (1813–1887), Klavier- und Kompositionsunterricht. Obgleich Mozart, wie er dezidiert äußerte, den Kompositionen von Frauen nichts abgewinnen
konnte, setzte er sich doch für die Werke seiner Schülerin sehr ein. Auch Robert Schumann, den Julie 1835 kennenlernte, und Felix Mendelssohn Bartholdy schätzten ihre Arbeiten. Daher darf auf der voliegenden CD ein Lied Julie Baroni-Cavalcabòs nicht fehlen, um dem Mozart’schen Dreiklang einen Hauch femininen Zaubers zu verleihen. Den im Gedicht
Warum? von Ludwig Bechstein thematisierten
Verlust von Liebe und Glück hat die Komponistin mit gefühlsstarken Vorhalten in Gesang und Klavier sowie reicher Harmonik Ausdruck verliehen; einige melancholische Takte des Klaviers rahmen das Stück ein.
Die drei Mozarts kompositorisch miteinander
zu vergleichen, ist eigentlich nur auf dem Gebiet der Sinfonie oder des Liedes – wie hier – möglich. Dass Leopold Mozart als Schöpfer von Musikstücken heute häufig unterschätzt wird, mag an zwei Umständen liegen: Zum einen ist ein Großteil seiner Musik, darunter fast alle Oratorien und Bühnenwerke, verloren gegangen; zum anderen scheint ihn das überragende
Talent seines Sohnes so beeindruckt zu haben, dass er ihm nicht nur seine Karriere
opferte, sondern ab etwa 1765 auch die eigene Kompositionstätigkeit fast vollständig eingestellt hat.
Ein Ausnahme hiervon stellen die beiden Lieder Geheime Liebe und Die großmüthige Gelassenheit dar. Auf frühen Abschriften findet
sich das Kompositionsdatum 1772 – die späteste Datierung, die im Zusammenhang mit Stücken Leopolds bekannt ist. Ursprünglich war die Gattung Lied nicht für den Konzertsaal bestimmt, sondern wurde nur im Rahmen häuslichen Musizierens gepflegt. Entsprechend
anspruchslos nahmen sich meist die Sujets aus: neben geistlichen Erbauungstexten
heitere Inhalte, die oft Geselligkeit und Freundschaft, den Tanz oder andere Genüsse des Lebens priesen (wie etwa im Lied Geheime
Liebe), sowie Dichtungen, die Ratschläge für ein zufriedenes, ausgeglichenes Leben gaben. Liebesleid, wie es im Lied Bei dem Abschied angesprochen wird, gehörte noch nicht zu den wichtigen Themen.
Die drei frühesten, ab 1768 entstandenen Lieder Wolfgang Amadeus Mozarts sind im Stil der meisten Lieder seines Vaters gehalten. Diese Ähnlichkeit, für die allerdings weniger das Vorbild Leopolds als das Liedideal der Zeit verantwortlich zu machen ist, hat dazu geführt,

dass einige Lieder des Vaters – darunter auch Die Zufriedenheit im niedrigen Stande – für frühe
Kompositionen des Sohnes gehalten wurden.
In den späteren 1770er Jahren gewann die Oper Einfluss auf Wolfgangs Liedschaffen. Dies belegen sowohl die beiden französischsprachigen
Kompositionen Oiseaux, si tous les ans und Dans un bois solitaire von 1777/78 mit ihren opernhaften Gesangsstimmen als auch die Canzonetta Ridente la calma von 1773/74. Auch in den 1780er Jahren widmete sich Mozart
dem Lied und vermochte neben einer Reihe
einfacher, oft strophisch angelegter Werke einige ganz aus dem zeitüblichen Rahmen fallenden
Beiträge zu liefern: 1785 Das Veilchen, eine Komposition auf einen Goethe-Text, die eher eine Miniaturopernszene denn ein Lied im üblichen Sinn darstellt, und 1787, im produktivsten
Jahr hinsichtlich seines Liedoeuvres, die überaus lyrischen und stimmungsvollen Stücke Abendempfindung und An Chloë.
Das relativ große Interesse Franz Xaver Mozarts an der Liedkomposition könnte dadurch
zu erklären sein, dass er sich in dieser Gattung relativ unbeeinflusst von dem Druck, in ihm müsse der große Vater fortleben, entfalten
konnte. Die ersten sechs überlieferten, 1810 publizierten Lieder spiegeln eine textliche und kompositorische Übergangssituation wider:
Vier der Gedichte beschäftigen sich zwar mit Liebe oder Liebessehnsucht, doch aus einer heiteren bzw. distanzierten Grundstimmung
heraus; drei der Werke sind als Strophenlieder
angelegt, die übrigen sind durchkomponiert;
die Gesangsstimme schwankt zwischen Popularität und Individualität; die Klavierbegleitung folgt mit ihrer Oberstimme oft dem Gesang, verselbstständigt sich gelegentlich
aber auch und bringt sogar ausgedehntere
Vor-, Zwischen- und Nachspiele.
Die Klage an den Mond ist mit ihrem von Todesahnung geprägten Text, der Molltonart und der wichtigen Rolle des Klaviers – es füllt die meisten jener Pausen, die im Gesang nach allen Reimwörtern gesetzt sind – wohl das am tiefsten empfundene Lied aus dieser Zeit. Man vermutet, dass Franz Xaver in den letzten
Lebensjahren resigniert das Komponieren einstellte, weil er sich dem legendären Vater nicht gewachsen fühlte. Der Text des Liedes Erinnerung, von Lord Byron verfasst, wirkt daher
fast wie ein entsprechendes persönliches Bekenntnis.
Richard Eckstein