C. Orff / Monteverdi · H. Genzmer · M. Reger · C. Orff / M. Regner · W. Buchenberg
Carl Orff Chor · Robert Blank, conductor
Der Carl-Orff-Chor Marktoberdorf widmet sich schwerpunktmäßig der anspruchsvollen A-capella-Literatur, sowohl im geistlichen als auch im weltlichen
Fach. Das Ensemble besteht seit 1994 und wurde von seinem heutigen künstlerischen Leiter Robert Blank gegründet. Höhepunkte seiner bisherigen Geschichte waren der 2. Preis beim Internationalen Kammerchorwettbewerb in Riva del Garda im April 1998, die Zusammenarbeit mit dem Philharmonischen Chor München und den Münchner Philharmonikern unter Horst Stein, Mariss Jansons und James Levine sowie die deutsche Uraufführung des Requiems von Nils Lindberg beim Festivals Musica sacra 2004. Im Zentrum der aktuellen
CD steht das A-cappella-Chorwerk des Namensgebers Carl Orff, ergänzt durch Kompositionen, die in stilistischem oder historischem Zusammenhang mit Orff stehen.
Zur Entstehung der
programmatischen Idee
Der Carl Orff-Chor, dessen Mentor Prof. Hermann
Regner und ich hatten bereits im letzten Jahr die Idee geboren, eine CD zu produzieren, die das a cappella-Chorwerk Carl Orffs zum Zentrum haben sollte. Da mir an einem inhaltlichen roten Faden gelegen war, dem möglichst alle Kompositionen
dieser CD folgen sollten, ging ich zunächst auf die Suche nach einem Thema, das prägend für das Schaffen Orffs war und die Möglichkeit in sich barg, hierzu auch andere Chorwerke aufzutun.
In diesem Bestreben traf ich schnell auf die Aspekte Zeit bzw. Vergänglichkeit, die u.a. in seinen Carmina Burana, dem Endzeit-Theater De fine temporum comoedia und in den Sunt lacrimae
rerum für Männerchor a cappella eine tragende
Rolle spielen.
Der endgültige Titel „TEMPORA – alles hat seine Zeit“ ergab sich dann zum einen aus der humanistischen Prägung Orffs und der damit verbundenen
Vorliebe für die lateinische Sprache und zum anderen aus dem alttestamentarischen Bibelzitat „omnia tempus habent“, alles hat seine Zeit, welches als Quintessenz nicht nur der Sunt lacrimae rerum, sondern des gesamten Programms
betrachtet werden kann.
Neben dem Vergänglichkeitsaspekt von Zeit widmet sich dieses Programm auch den Tageszeiten
und christlich-religiösen Hoch-Zeiten, wie Ostern, Pfingsten, Advents-und Weihnachtszeit.
Bei der Suche nach weiteren geeigneten Komponisten stieß ich zunächst nur auf solche, die eine enge Beziehung zur Stadt München aufweisen. Da sich somit, ohne dass ich es beabsichtigt
habe, auch eine biografische Verbindung
zwischen den verschiedenen Komponisten aufgetan hatte, beließ ich es gerne dabei.
Bis auf Max Reger, der noch eindeutig der Kompositionspraxis des ausgehenden 19. Jahrhunderts
entstammt, handelt es sich hierbei um Komponisten des 20. bzw. 21. Jahrhunderts, deren
Bestreben es ist, traditionelle Wurzeln anzuerkennen
und mit den klanglichen, harmonischen und rhythmischen Möglichkeiten ihrer Zeit zu kombinieren.
Robert Blank
Zu den Werken
Carl Orff wurde am 10.Juli 1895 in München geboren und entstammte einer alten bayerischen
Offiziers- und Gelehrtenfamilie.
In seinem Elternhaus wurde regelmäßig musiziert,
vor allem seine Mutter Paula, eine ausgebildete
Konzertpianistin, fördert die musikalische Begabung ihres Sohnes.
So erhielt er bereits in jungen Jahren Klavier-und Cellounterricht und besuchte regelmäßig Theateraufführungen.
Nach dem Besuch zweier traditionsreicher Gymnasien in München wechselte Orff ohne Schulabschluss an die Akademie der Tonkunst, um dort Komposition zu studieren.
Bis zur dortigen Aufnahmeprüfung entstanden
bereits mehrere Lieder für Singstimme und Klavier und ein erstes Chorwerk mit dem Titel Zarathustra.
Da ihm das Studium zu konservativ ausgerichtet
war, beschäftigte sich Orff im Selbststudium mit Schönberg und auch Debussy, dessen besondere
Klangsprache ihn faszinierte.
Nachdem sich Orff zunächst der musikalischen Avantgarde anschließt, kommt er schließlich kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs von diesem Weg ab und wendet sich verstärkt dem Theater zu.
Durch Kontakte seines Klavierlehrers Hermann
Zilcher erhält Orff schließlich eine Stelle als Kapellmeister an den Münchner Kammerspielen;
diese Tätigkeit setzt er nach dem Krieg am Nationaltheater Mannheim und am Hoftheater
in Darmstadt fort.
Ab 1919 ist er freischaffender Komponist in München und entwickelt nach und nach seinen persönlichen kompositorischen Stil.
Als prägend für Orff stellt sich auch die Beschäftigung
mit der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts,
insbesondere mit Monteverdi heraus.
Im Zuge des nach dem Krieg einsetzenden Rhythmus-und Tanzbewegung gründet Carl Orff zusammen mit Dorothee Günther, einer Gymnastiklehrerin,
Grafikerin und Schriftstellerin, eine Ausbildungsstätte für Gymnastik und Tanz, die Günther-Schule in München.

In diesem Zusammenhang entwickelt er sein Konzept einer elementaren Musik, die eine Synthese
aus Musik, Sprache und Bewegung darstellt.
Formuliertes Ziel ist es, die Musik von der Bewegung
und vom Tanz her zu „regenerieren“.
In Anlehnung an zum Großteil außereuropäische
Instrumente entwickelt er zusammen mit Kurt Maendler, einem Cemabalobauer, das sog. Orff-Instrumentarium, das für seine Bühnenwerke
und natürlich besonders für das Schulwerk große Bedeutung erlangt.
Bislang in der Öffentlichkeit als Musikpädagoge
und Spezialist für alte Musik wahrgenommen,
gelingt Orff schließlich der Durchbruch als Komponist mit seinen 1937 in Frankfurt a. M. uraufgeführten
Carmina Burana.
Hier offenbarte sich nun in musikalischer und dramatisch-szenischer Hinsicht der unverwechselbare
Stil des Komponisten in voller Ausprägung.
Trotz Skepsis auf Seiten der damaligen Machthaber
entstanden weitere Bühnenwerke, wie das Märchen Der Mond nach Vorlage der Gebrüder Grimm, Die Kluge und die als Ludi scaenici, szenische
Spiele bezeichneten Catulli Carmina.
Nach 1945 konnte sich Orffs Werk national und international ungehindert ausbreiten. 1950 übernahm er eine Meisterklasse für Komposition an der Hochschule für Musik in München, die er bis 1960 leitete.
Auch das Schulwerk gewann durch die Zusammenarbeit
mit dem Bayerischen Rundfunk und das große Interesse im In- und Ausland enorm an Bedeutung.
Als weitere Bühnenwerke entstanden ab 1947 Die Bernauerin, Trionfo di Aphrodite und somit die gesamten Trionfi, Astutuli, die sechste und damit letzte Fassung des Sommernachtstraumes, ein Oster- und ein Weihnachtsspiel.
Angepasst an die Gegebenheiten der Griechischen
Tragödien veränderte Orff schließlich nochmals tiefgreifend seinen musikalischen Stil für die Komposition seiner Antigonae, Oedipus, der Tyrann und Prometheus.
Als Zusammenfassung seines gesamten Schaffens kann das Bühnenwerk De fine temporum
comoedia angesehen werden, welches zugleich das letzte große Werk Orffs darstellt.
Orff starb am 29.03.1982 in München und wurde
in der berühmten Klosterkirche in Andechs, südlich von München, beigesetzt.
Robert Blank nach Textvorlage:
MGG Bd.12, von Dr. Thomas Rösch
Harald Genzmer, am 09.02.1909 in Blumenthal bei Bremen geboren, erhielt seinen ersten Klavierunterricht
als Schüler und sammelte erste Erfahrungen
als Organist im Gottesdienst. Er erlebte bereits in jungen Jahren einige beeindruckende konzertante Aufführungen, u.a. mit Werken von Richard Strauss und Paul Hindemith, die ihn nachhaltig prägten. Nach dem Abitur in Marburg nahm er seinen ersten musiktheoretischen Unterricht
beim dortigen Universitätsmusikdirektor, entschloss sich jedoch bald darauf, bei Paul Hindemith
in Berlin Komposition zu studieren.
Von 1934–1937 war er Korrepetitor und später Studienleiter an der Oper in Breslau, von 1937–1942 Lehrer für Tonsatz und Zusammenspiel an der Volksmusikschule Berlin-Neukölln.
Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte er zum Professor für Komposition und stellvertretenden
Direktor an der Freiburger Musikhochschule.
1957 erhielt er schließlich einen Ruf an die Musikhochschule in München, wo er seit seiner Pensionierung lebt und komponiert. Zu seinen Schülern zählen u.a. Rafael Frühbeck de Burgos und Bertold Hummel.
In den Kompositionsprinzipien der erweiterten
Tonalität und formalen Klarheit ist der Einfluss
Hindemiths für Genzmer deutlich sichtbar, daneben allerdings entwickelte er durch seine z.T. spielerische Leichtigkeit in der Melodik und seinen ausgeprägten Sinn für Klangfarben als ein eigenständiges musikalisches Stilmittel seinen ganz persönlichen Stil.
Die vitale Rhythmik Carl Orffs, der ebenfalls an der Musikhochschule in München lehrte, ließ ihn im übrigen nicht unbeeindruckt, Ansätze hiervon finden deshalb sich auch im Werk Genzmers wieder.
Im Zentrum seines OEuvres steht der musikalische
und hörende Mensch, der sich in verschiedenen
künstlerisch-soziologischen Umfeldern wie Hausmusik, Kammermusik, im Konzersaal, in der Schule oder Kirche befindet.
Seine weltliche Chormusik reicht von einfachen
Liedsätzen bis zu komplexen a cappella-Chorwerken und Kantaten, die geistliche von der Motette über wiederum die Kantate bis zur Deutschen Messe.
Neben seinem chorischen Schaffen entstanden
eine Vielzahl von Konzerten, Kammermusikwerken
und Liedern für Solo-Gesang.
Robert Blank nach Textvorlage MGG
Um Mitternacht ist eine Vertonung für gemischten
Chor a cappella des gleichnamigen Gedichtes
von Eduard Mörike.
Harald Genzmer versteht es hier gekonnt, mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln die Stimmung
des Textes wiederzugeben.
Nach einer unisono geführten, absteigenden Melodik („Gelassen stieg die Nacht ans Land“) erweitert er nach und nach, vor allem in den Außenstimmen den Klangraum und gesteht der Bassstimme eine rhythmische und melodische Eigenständigkeit zu, die allerdings die ruhige, in sich gekehrte Ausgangshaltung des Gedichts nicht beeinträchtigt.
Der nun folgende Teil („Und kecker rauschen
die Quellen hervor“) als Erinnerung an den vergangenen Tag behält zwar das gleiche Grundtempo, erhält aber durch die neue Taktart 12/8 einen deutlich beschwingteren Gestus, der sich auch darin manifestiert, dass die einzelnen Stimmgruppen abwechselnd, sich gleichsam den Ball zuspielend ins Geschehen eintreten und sich erst vor Beginn der dritten Strophe, die sich wiederum
auf die Nacht bezieht, vereinigen.
Strophe 3 und 4 sind musikalisch identisch mit den ersten beiden Strophen.
Tristissima Nox ist Teil des Zyklus’ „Südamerikanische
Gesänge für Chor a cappella“.
Wiederum scheint Genzmer die besondere Atmosphäre des Textes fasziniert zu haben.
In plastischer Weise wird hier die Gefährlichkeit
und Ruhelosigkeit einer südamerikanischen Nacht beschrieben, die erst nach und nach zur verdienten Ruhe findet.
Die musikalische Sprache bedient sich verschiedenster,
teils gegensätzlicher Mittel, wie abrupter Tempiwechsel, einerseits klangorientierter
und andererseits fast sprechgesangähnlicher
Passagen, unisono-geführter Teile und Phrasen, die von ihrer harmonischen, häufig bitonalen
Struktur leben und bildet somit die stets veränderliche Stimmung der einzelnen Verszeilen ab.
Erst am Ende des Gedichts findet auch die Musik zu Ruhe und Beständigkeit, Sinnbild dafür ist der Orgelpunkt a im Tenor, um den sich auch das harmonische Geschehen der restlichen Stimmen rankt.
Robert Blank
Hermann Regner
Geboren 1928 in Marktoberdorf im Allgäu. Studien
(Dirigieren, Komposition, Musikwissenschaft
und Volkskunde) in Augsburg und München.
1957–1963 Dozent an der Musikhochschule Trossingen. Von 1964 bis zur Emeritierung 1993 Professor für Musikerziehung am Orff-Institut der Universität Mozarteum Salzburg. Langjähriger Mitarbeiter von Carl Orff und Leiter des Orff-Instituts
Salzburg.
Sein Werk umfasst Kammermusik, Werke für Orchester, Blasorchester, Chor, Theater und Film.
Tempora
Caro Orff, Am Weynachtabend
Carl Orff hat das Lied aus dem Speyerer Gesangbuch
von 1617 in seinem Schulwerk (Band 5, Seite
20) abgedruckt. Dort ist es für Singstimme und Orff-Instrumente eingerichtet. Die Bearbeitung von Hermann Regner greift den transparenten Notensatz auf und schreibt ihn für einen gemischten
Chor.
Carl Orff, Fröhlicher Ostersang
In der Musik für Kinder (Band 4, Seite 69) schreibt Carl Orff über einem Orgelpunkt eine einstimmige Melodie. Nur bei den Rufen „hilariter“ (lat. hilaritas
= Heiterkeit, Frohsinn, Fröhlichkeit) und dem „Alleluja“ entfalten sich parallel geführte Dreiklänge.
Hermann Regner hat den Satz erweitert und Vor-und Zwischenteile eingefügt.
Carl Orff/Hermann Regner, Das Wessobrunner Gebet
Das Wessobrunner Gebet wurde um das Jahr 800 in dem bayerischen Benediktinerkloster Wessobrunn
aufgezeichnet. Durch die Überschrift „De Poeta“ kommt zum Ausdruck, dass dies das Werk eines einzelnen Dichters ist. Es ist der älteste bekannte deutschsprachige christlich-religiöse Text. Carl Orff hat in Band 4, Seite 68, der Musik für Kinder den ersten Teil der Dichtung in seiner Vertonung veröffentlicht. Hermann Regner hat den Text nach originalen Quellen vervollständigt und die Musik weitergeführt. Den im Schulwerk für gleiche Stimmen notierten Satz hat er für gemischten
Chor eingerichtet.
Textübertragung:
Das vernahm ich unter den Menschen als der Wunder größtes,
dass die Erde nicht war noch oben der Himmel, weder Baum noch Berg war,
noch die Sonne schien, noch der Mond leuchtete,
noch das herrliche Meer.
Als da nichts war der Enden noch Grenzen,
da war doch der eine allmächtige Gott,
den Menschen mildester, und da waren auch viele mit ihm,
herrliche Geister, und der heilige Gott.
Allmächtiger Gott, der du Himmel und Erde geschaffen
und den Menschen so viel Gutes verliehen hast,
verleih mir in deinen Gnaden den rechten Glauben
und guten Willen, Weisheit, Klugheit und Kraft,
den Teufeln zu widerstehen und das Böse zu meiden
und deinen Willen zu vollbringen.
Hermann Regner, Alles zu seiner Zeit
Sechs Miniaturen für gemischten Chor mit Gedichten
von Catarina Carsten
Themen und die Musikalität der Gedichte haben den Komponisten angeregt, Chormusik zu schreiben.
Die Titel der Miniaturen: Stimmen – Die Kinder
der Welt – Gezeiten – Zuflucht – Traumengel – Hab Geduld. Die Musik will die Texte zum Klingen
bringen, Worte und Sätze emotional deuten. Hermann Regner hat die Komposition für den Carl Orff-Chor Marktoberdorf geschrieben.