Mozarteum Orchester Salzburg · Theodor Guschlbauer, conductor
May Sandoz, soprano
„ … Missa est“
Eva Lind, soprano · Marjana Lipovsek, mezzosoprano
Robert Holl, bass · ORF-Chor Wien · Arnold Schönberg Chor
Choralschola St. Stephan, Passau · Radio Symphonie Orchester Wien
Leopold Hager, conductor
Mitschnitt von den Salzburger Festspielen 1976/1986
Der am 08. Februar 2005 im Alter von 88 Jahren in Salzburg verstorbene Komponist Helmut Eder war eng mit den Salzburger Festspielen verbunden. Seit 1964 wurden seine Werke dort aufgeführt, für 1976 erhielt er seinen ersten Kompositionsauftrag der Salzburger Festspiele. Hieraus sollte das Divertimento für Koloratursopran und drei Orchestergruppen op. 64 entstehen.
Die Große Messe „… Missa est“, ein Auftragswerk des Österreichischen Rundfunks, wurde am 23. August 1986 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Auf der Bühne stand ein Solistenensemble der absoluten Spitzenklasse – Eva Lind, Marjana Lipovsek und Robert Holl. Zwei außergewöhnliche Dokumente aus der Geschichte der Salzburger Festspiele!
SALZBURGER FESTSPIELDOKUMENTE
Helmut Eder
(1916–2005)
Musik für die Felsenreitschule
Divertimento
Für Koloratursopran und drei Orchestergruppen op. 64
[01] Introduzione | | 02 : 18 |
[02] Canto I | | 07 : 09 |
[03] Balletto | | 04 : 47 |
[04] Canto II | | 08 : 33 |
Auftragswerk der Salzburger Festspiele
Uraufführung im Rahmen der Fünften Serenade am 14. August 1976
May Sandoz, Sopran
Mozarteum Orchester Salzburg
Theodor Guschlbauer, Dirigent
|
|
„… Missa est“
Große Messe für drei Soli, zwei gemischte Chöre,
Choralschola und drei Orchestergruppen op. 86
[05] Introduktion – Kyrie | | 08 : 59 |
[06] Gloria | | 22 : 40 |
[07] Credo | | 03 : 57 |
[08] Sanctus | | 04 : 11 |
[09] Benedictus | | 05 : 24 |
[10] Agnus Dei | | 10 : 20 |
Auftragswerk des Österreichischen Rundfunks ORF
für die Salzburger Festspiele
Uraufführung im Elften Orchesterkonzert am 23. August 1986
Eva Lind, Sopran
Marjana Lipovsek, Mezzosopran
Robert Holl, Bass
ORF-Chor Wien · Arnold Schönberg Chor
Einstudierung: Erwin Ortner
Choralschola St.Stephan, Passau
Einstudierung: Domkantor Heinz-Walter Schmitz
Radio Symphonie Orchester Wien
Leopold Hager, Dirigent
|
Für die Felsenreitschule komponiert

Am 8. Februar 2005 ist in Salzburg der österreichische
Komponist Helmut Eder gestorben. Wenige Wochen zuvor hatte Eder seinen 88. Geburtstag gefeiert, und nahezu bis zuletzt war er schöpferisch tätig gewesen, einer der wenigen Komponisten seiner Generation,
die weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt geworden sind, Erfolg gehabt haben – und das, obwohl er nie zu irgendeiner Gruppe gehört hat oder von einer mächtigen (Verlags-)Lobby unterstützt worden ist.
Helmut Eder war ein Eigener, zeitlebens neugierig und offen für alles, was Musik betraf, und in seiner schöpferischen Arbeit einem hohen
Anspruch an Professionalität verpflichtet. Nicht zufällig war der Dreißigjährige, als er nach Krieg und Gefangenschaft relativ spät erst sich ganz auf das Komponieren konzentrieren
konnte, zu drei Meistern in die Lehre gegangen: zu Paul Hindemith an das Salzburger
Mozarteum, zu Carl Orff in München und zu Johann Nepomuk David nach Stuttgart. Ihrem Anspruch an künstlerischem Ethos und handwerklichem
Können hat Eder sich zeitlebens verpflichtet gefühlt, und dieser Maßstab hat ihn auch davor bewahrt, sich irgendwelchen Moden anzuschließen, selbst wenn dies Aufsehen
oder schnellen Ruhm versprochen hätte.
Helmut Eder war ein Eigener, zeitlebens neugierig und offen für alles, was Musik betraf, und in seiner schöpferischen Arbeit einem hohen
Anspruch an Professionalität verpflichtet. Nicht zufällig war der Dreißigjährige, als er nach Krieg und Gefangenschaft relativ spät erst sich ganz auf das Komponieren konzentrieren
konnte, zu drei Meistern in die Lehre gegangen: zu Paul Hindemith an das Salzburger
Mozarteum, zu Carl Orff in München und zu Johann Nepomuk David nach Stuttgart. Ihrem Anspruch an künstlerischem Ethos und handwerklichem
Können hat Eder sich zeitlebens verpflichtet gefühlt, und dieser Maßstab hat ihn auch davor bewahrt, sich irgendwelchen Moden anzuschließen, selbst wenn dies Aufsehen
oder schnellen Ruhm versprochen hätte.
Dabei hat er mit stets wachem Interesse verfolgt,
welche Wege die Musik der Zeit nahm, hat vielfache Anregungen aufgenommen, neue Kompositionstechniken erprobt, sich gegenüber
der Herausforderung neuer Klangvorstellungen
offen gezeigt. Aber Eder hat nie sein Ziel aus den Augen verloren, für Aufgaben, die er sich stellte oder die ihm gestellt waren, eine überzeugende formale Entsprechung, die für ihn persönlich gültige Lösung zu finden.
Ähnliches gilt für die beiden Werke der vorliegenden Ausgabe der Edition Festspieldokumente,
mit der die Salzburger Festspiele an einen Komponisten erinnern, der über vier Jahrzehnte
im Festspielprogramm vielfach präsent war: mit Kammermusik verschiedenster Art, mit Orchesterwerken, einem Oratorium und der Uraufführung
der für das Mozart-Jahr komponierten
Oper Mozart in New York; und nicht zuletzt mit seiner äußerst überzeugenden Ergänzung der C-moll-Messe von Mozart, die in dieser Form seit 1985 alljährlich bei den Festspielen in der Basilika St. Peter aufgeführt wird.
Vergnügliche, unterhaltende Musik
Zum ersten Mal findet sich der Name Helmut Eder im Festspielprogramm des Jahres 1964. Die ‚Wiener Solisten’ spielten sein für das international
erfolgreiche Kammerorchester geschriebenes
Concerto a duodeci. Drei Jahre später übernahm Eder eine Kompositionsklasse
an der Hochschule Mozarteum und übersiedelte
nach Salzburg. 1971 erklang in einem Konzert der Bläservereinigung der Wiener Philharmoniker Septuagesima instrumentalis, Eders zweites, viel gespieltes Bläserquintett. Der nächste Eintrag in der Festspielchronik betrifft dann bereits die Uraufführung eines Auftragswerkes der Salzburger Festspiele. Gerhard Wimberger, selbst Komponist und Lehrer am Mozarteum, hatte sich im Direktorium
der Festspiele erfolgreich für die Pflege zeitgenössischer Musik und darüber hinaus für gezielte Kompositionsaufträge eingesetzt. Für die Serenaden in der Felsenreitschule schrieben der Deutsche Wilhelm Killmayer Nachtgedanken (1973) und der Franzose Jean Francaix Cassazione für drei Orchester (1975).

Zum ersten Mal findet sich der Name Helmut Eder im Festspielprogramm des Jahres 1964. Die ‚Wiener Solisten’ spielten sein für das international
erfolgreiche Kammerorchester geschriebenes
Concerto a duodeci. Drei Jahre später übernahm Eder eine Kompositionsklasse
an der Hochschule Mozarteum und übersiedelte
nach Salzburg. 1971 erklang in einem Konzert der Bläservereinigung der Wiener Philharmoniker Septuagesima instrumentalis, Eders zweites, viel gespieltes Bläserquintett. Der nächste Eintrag in der Festspielchronik betrifft dann bereits die Uraufführung eines Auftragswerkes der Salzburger Festspiele. Gerhard Wimberger, selbst Komponist und Lehrer am Mozarteum, hatte sich im Direktorium
der Festspiele erfolgreich für die Pflege zeitgenössischer Musik und darüber hinaus für gezielte Kompositionsaufträge eingesetzt. Für die Serenaden in der Felsenreitschule schrieben der Deutsche Wilhelm Killmayer Nachtgedanken (1973) und der Franzose Jean Francaix Cassazione für drei Orchester (1975).
Das Divertimento op. 64 wurde in einer Serenade
des Mozarteum Orchesters unter dem damals noch als GMD in Linz tätigen Wiener Theodor Guschlbauer zu einem großen Erfolg. „Die Presse“ bezeichnete das Werk „als Muster
einer Auftragskomposition“, die „Salzburger Nachrichten“ widmeten dem Divertimento eine ausführliche Analyse, und im Wiener „Kurier“ formulierte Andrea Seebohm ihr ‚Vergnügen bei neuer Musik’ so: „… es ist ein aufregend effektvolles Stück, wunderbar in den Raum hineinkomponiert, eine richtige „Spielmusik“, vergnüglich und unterhaltend.
In der Mitte auf der Hauptbühne ein Hauptorchester
(Holz, Blech, großes Schlagzeug, Harfe und Streicher) – links in den Arkaden Trompeten, Hörner, Fagotte und Oboe – rechts in den Arkaden Flöten, Klarinetten und Schlagzeug
– in der Mitte in einsamer Höhe ein Koloratursopran
(May Sandoz) und Celesta.
Zu Beginn festliches Trompetengeschmetter,
das direkt aus dem Barock ins 20. Jahrhundert
gefallen zu sein schien. Nach und nach auch leisere, impressionistische Klangfarben, einmal ein großes Schlagzeug-Solo. Im zweiten
und vierten (letzten) Satz mischt der So-pran Vokale und klingende Konsonanten dazu. Geistreiches Mit- und Gegeneinander der verschiedenen Gruppen, logisch gebaute Höhepunkte
und dramatische Einschübe, klanglich
betörende Pianissimo-Wirkungen. Selten habe ich einem neuen Stück mit solcher Spannung,
solchem Vergnügen zugehört. – Freilich, Theodor Guschlbauer erleichterte mit seiner exakten, temperamentvollen Zeichengebung nicht nur den Musikern das Spiel, sondern auch dem Publikum das Zuhören.“
Eine Messe als musikalisches Welttheater

Zehn Jahre später – inzwischen hatte das Symphonieorchester
des ORF unter Leif Segerstam bei den Salzburger Festspielen 1980 auch die V. Symphonie des Komponisten uraufgeführt – ein ähnliches, und doch ganz anderes Szenario.
Als Auftrag des Österreichischen Rundfunks
für die Salzburger Festspiele hat Helmut Eder eine Große Messe komponiert und dabei ohne Zweifel an die Erfahrungen angeknüpft, die er zuvor mit Konzeption und Raumwirkung des Divertimento hatte machen können. Es ist keine Messe im eigentlich liturgischen Sinn, aber ein Bekenntnis zur Allgemeingültigkeit der christlichen Weltanschauung und überdies
zu der Tatsache, dass der lateinische Messtext wie nichts anderes als Symbol für die Entwicklung der abendländischen Musik steht. Daher auch der Titel „… Missa est“ im Sinne von „es ist eine Messe“; der Musiker, der mit durchaus zeitgemäßen Mitteln an die Vertonung dieses Textes geht, findet sich im lebendigen Strom einer Tradition, die von der Gregorianik bis in die Gegenwart niemals abgerissen
ist.
In seiner umfangreichen und genauen Analyse
von Helmut Eders Schaffen schreibt der Musikwissenschaftler Gernot Gruber (Helmut Eder, Verlag Lafite und Österreichischer Bundesverlag
1988) unter anderem: „Eder versteht sein Werk als ein Bekenntnis zur Geschichte der Musik, zur Tradition der Messkomposition. Konkreten Anlass zur Komposition gab Mozarts
Fragment der c-Moll-Messe, deren Instrumentation
Eder ergänzte und bearbeitete. Damit nahm er Bezug auf eine ganz bestimmte Traditionslinie, die mit Bachs h-Moll-Messe, Mozarts c-Moll-Messe, Beethovens „Missa solemnis“ beginnt, über Messen Bruckners, Requiem-Vertonungen von Berlioz und Verdi bis zu Werken wie dem „Magnificat“ Pendereckis
reicht: einer Tradition, die im zeitlosen Dilemma jeglicher Kirchenmusik zwischen dienender Funktion für die Liturgie und künstlerischem
Eigenwert eindeutig für die Kunst Stellung bezieht und damit die liturgische Bestimmung
aufgibt, aber doch nie ihre eigene Herkunft überwinden und ablegen kann. Wie es scheint, bleiben diese Werke zumindest Weltanschauungsmusik, irgendwo zwischen den Idealen der Kunstreligion des 19. Jahrhunderts
und den archaischen Formen des geistlichen Spiels angesiedelt.
Eder wehrt sich gegen eine weltanschauliche
Vereinnahmung. Er komponiert gegen sie an. Oder besser gesagt: er komponiert über sie hinweg, will auch keine Anti-Kirchenmusik nach dem Vorbild der „Anti-Kunst“ schaffen, sondern hält sich ans Wunderreich der Musik
mit all ihrer Vielfalt und historischen Tiefe. Das heißt aber nicht, dass der liturgische Text durch den Farbenzauber der Musik einfach überdeckt und nivelliert wird. Im Gegenteil, die Texte werden von Eder (wie seinerzeit von seinen Vorgängern in dieser Tradition) extensiv ausgedeutet. Die Deutungsabsicht richtet sich aber nicht an einen theologischen Gehalt, sondern
sucht ihren Sinn im „musee imaginaire“ der Geschichte und Gegenwart der Musik.
Den äußeren Rahmen für dieses musikalische
Welttheater geben die breite Bühne und die Arkaden der Salzburger Felsenreitschule.
In diese Kulisse sind die Musiker als „lebende Bilder“ postiert. Zu ebener Erde das Hauptorchester, der Hauptchor und zwei der drei Solisten, in der ersten Arkadenreihe ein klein besetzter zweiter Chor, in den beiden Seitenarkaden je ein Bläserensemble, und in der Mitte der obersten Arkadenreihe eine Koloratur-Sopranistin. Diese Raumdisposition erinnert an die Dreiteilung der Bühne in mittelalterlichen
geistlichen Spielen. Ihr entspricht die suggestive Raumwirkung der Musik. Der Pluralismus musikalischer Mittel gelangt in diesem Werk zu einer kaum überbietbaren Entfaltung.“
Festliche Uraufführung und ein spontaner Erfolg
„… Missa est“ wurde am 23. August 1986 in einem Festkonzert der Salzburger Festspiele zum 25-jährigen Jubiläum des auch in Salzburg
sehr aktiven „Internationalen Musikzentrums“
uraufgeführt. Die Auftraggeber hatten nicht gespart. Drei prominente Solisten – die Sopranistin Eva Lind, die in diesem Sommer als italienische Sängerin in Capriccio von Richard Strauss in Salzburg debutiert hatte, die Mezzosopranistin Marjana Lipovsek, seit 1981 auf der Festspielbühne und in Konzerten erfolgreich, und der Bassist Robert Holl, der schon seit 1978 zum Festspielensemble gehörte
– ; drei hochprofessionelle Chöre – der ORF-Chor und der Arnold Schönberg-Chor aus Wien und aus Passau die Choralschola
St. Stephan – und, wiederum aufgeteilt auf mehrere Gruppen, die Musiker des ORF Symphonie Orchesters. Leopold Hager, der sich während seiner Zeit als Chefdirigent in Salzburg schon mehrfach mit Werken Helmut Eders auseinandergesetzt hatte, wusste das Werk aus der Zusammenschau von Tradition und aktueller Aussage zu intensiver Wirkung zu führen. Minutenlanger Applaus und lautes Bravo nach einer Uraufführung – das durfte damals bei dem als so konservativ geltenden Festspielpublikum als durchaus ungewöhnlich
gelten.
Gottfried Kraus