Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Flöte und Orchester Nr. 1 G-Dur KV 313
Konzert für Flöte und Orchester Nr. 2 D-Dur KV 314
Andante C-Dur KV 315 · Rondo D-Dur KV Anh. 184
Johann Baptist Wendling
Konzert für Flöte und Orchester C-Dur
Mozarteum Orchester Salzburg
Ivor Bolton, Dirigent
Bernhard Krabatsch, Flöte
Zu Mozarts Lebzeiten war die Flöte noch ein Instrument
in ständiger Weiterentwicklung. Weder klanglich
noch in der Intonation entsprach das Instrument
vollkommen den Anforderungen anspruchsvoller
Solistenkonzerte. Erst der Kontakt zu Johann Baptist
Wendling und dessen Werken für die Flöte führte
Mozart zu einem neuen Verständnis für die
Möglichkeiten des Instruments und das Potenzial,
das ihm innewohnt. In der vorliegenden Einspielung
verwendet der Solist Bernahrd Krabatsch eine
Holztraversflöte, die allerdings über eine moderne
Klappenmechanik verfügt. Damit erreicht er einen
eher dunklen, weichen Klang, ohne Kompromisse
in Intonation und Präzision eingehen zu müssen.
Ihm zur Seite steht das Mozarteumorchester
Salzburg unter Ivor Bolton, ein Ensemble, das exemplarisch
für die Vereinigung beider Welten – der
historischen Aufführungspraxis und der modernen
Orchestertradition – steht.
Bernhard Krabatsch
Flöte · Flute

Bernhard Krabatsch absolvierte sein Studium
bei Wolfgang Schulz an der Hochschule für
Musik und darstellende Kunst in Wien. Bereits
Preisträger von „Jugend musiziert“, wird ihm
auch der Förderpreis der Vanausek-Stiftung
für junge Musiker der Wiener Philharmoniker
verliehen.
Seine solistische Karriere führt ihn immer wieder
zu bedeutenden Festivals in ganz Europa, so
z.B. zu den Salzburger Festspielen, Berliner und
Wiener Festwochen, nach London, zum Concertgebouw
Amsterdam Summerfestival sowie dem
Osterfestival Luzern, wo er mit Musikern wie Murray
Perahia, Aurele Nicolet, Sándor Végh, Hubert
Soudant, Jonas Swenson, Ivor Bolton, Giovanni
Antonini und Leonidas Kavakos musiziert.
Bernhard Krabatsch ist Soloflötist des Mozarteumorchesters
Salzburg und der Camerata Salzburg
und leitet eine Ausbildungsklasse für Flöte
an der Universität Mozarteum in Salzburg.
Ivor Bolton
Chefdirigent · Chief conductor

Seit 2004 ist er Chefdirigent des Mozarteumorchesters
Salzburg. 1991/92 war er Musikdirektor
der English Touring Opera, 1992 bis 1997
Musikdirektor der Glyndebourne Touring Opera
und 1994 bis 1996 Chefdirigent des Scottish
Chamber Orchestra. Darüber hinaus hat er das
Lufthansa Festival of Baroque Music und die St.
James’s Baroque Players in London gegründet.
Ivor Bolton studierte an der Universität Cambridge,
am Royal College of Music und beim
National Opera Studio in London.
Eine enge Zusammenarbeit verbindet Bolton
mit der Bayerischen Staatsoper in München.
Für seine hervorragenden Leistungen erhielt er
1998 den renommierten Bayerischen Theaterpreis.
1995 gab Ivor Bolton sein Covent Garden-
Debüt; seitdem ist er dort regelmäßiger Gast.
Weitere Verpflichtungen führten Ivor Bolton u.a.
an die Opéra National de Paris, nach Brüssel,
Amsterdam, Hamburg, Genf, Bologna, Buenos
Aires, Sydney, San Francisco, Florenz, Lissabon,
Dresden und Leipzig. Beim Glyndebourne Festival
dirigierte Ivor Bolton neben Don Giovanni
und Le nozze di Figaro auch Brittens Owen Wingrave
sowie Glucks Iphigénie en Aulide.
Mit dem Mozarteumorchester Salzburg ist
Bolton seit 2000 fester Partner bei den Salzburger
Festspielen. Im Mozartjahr 2006 dirigierte
er drei Mozart-Opern, 2007 stand Haydns
Armida auf dem Programm. Die erfolgreiche
Produktion wurde im Haydn-Jahr 2009 wieder
aufgenommen. 2009 dirigierte Ivor Bolton
außerdem das Freiburger Barockorchester in Händels
Theodora. Im Salzburger Landestheater präsentierte
Bolton mit großem Erfolg Opern von
Benjamin Britten (The Turn of the Screw, Albert
Herring) und Richard Strauss (2008 Ariadne auf
Naxos im Haus für Mozart).
Auch im Konzertbereich leitet Bolton international
führende Orchester, wie das London
Symphony Orchestra, BBC Symphony, das
Concertgebouw Orchester Amsterdam, die
London Mozart Players, das Tonhalle-Orchester
Zürich, das Houston Symphony Orchestra, das
Philharmonische Staatsorchester Hamburg, das
WDR-Orchester Köln und das Orchestre Symphonique
de Montréal. Seit seinem Debüt 1993
ist Ivor Bolton regelmäßig zu Gast bei den BBC
Proms.
Kürzliche Engagements umfassten Peter
Grimes
in Dresden, Iphigenie en Tauride in Covent
Garden und Paris, Tamerlano in München,
La Calisto in Covent Garden und Cavallis Ercole
Amante an der Niederländischen Oper. Zukünftige
Projekte sind u.a. Theodora bei den Salzburger
Festspielen, Medea in Corinto und Platée
an der Bayerischen Staatsoper, Die Zauberflöte
an der Wiener Staatsoper, Alceste für das Festival
in Aix-en-Provence, Tamerlano für Covent Garden,
Jenufa für das Teatro Real Madrid sowie
Billy Budd für die Niederländische Oper.
Im Konzertbereich steht – neben Konzerten
mit dem Mozarteumorchester in Tokio, Peking,
New York, Amsterdam und Salzburg – Beethovens
9. Symphonie am Silvesterabend 2009/2010 in
Wien auf dem Programm, sowie Athalia mit dem
Concerto Köln in New York, Paris und London.
Darüber hinaus sind Engagements beim NDR
Hamburg und bei RAI Turin geplant.
Boltons CD-Einspielungen mit dem Mozarteumorchester
Salzburg beim Label Oehms
Classics umfassen u.a. Bruckners Symphonien
Nr. 3, 5, 7 und 9, Berlioz’ L’Enfance du Christ,
Symphonien Joseph Haydns, seine Schöpfung
und Die Jahreszeiten sowie zahlreiche Werke
Mozarts. Weitere Einspielungen umfassen u.a.
Xerxes, Ariodante und Poppea aus München.
Die Wiederentdeckung des Holzklangs
Soloflötist Bernhard Krabatsch spricht mit Marco
Frei über die CD
Herr Krabatsch, inwieweit ist uns ein Flötenklang
abhanden gekommen, den Wolfgang
Amadeus Mozart im Ohr hatte, als er seine Flötenwerke
schuf?
Vom 16. bis 18. Jahrhundert ist in der Tat im
Flötenbau sehr viel geschehen. Heute gibt es
viele sogenannte Originalklang-Ensembles, die
die damaligen Klänge wiederentdecken. Natürlich
muss sich auch das Publikum auf andere
Hörgewohnheiten und Klangwelten einlassen,
und ich muss gestehen, dass das anfangs ebenso
für mich galt. Konkret zu Mozart möchte ich
Sándor Végh zitieren: Er hat einmal bei einer
Probe in Salzburg zu uns gesagt, Mozart habe
genau gewusst, wie die Flöte klingen sollte. Tatsächlich
fällt auf, dass Mozart einerseits schöne
Flötenpassagen in seinen Orchesterwerken und
Opern schuf und das Instrument prominent
verwendete; andererseits war er nicht besonders
glücklich über den Klang der Flöte.
Was sind die Gründe?
Zu Mozarts Zeit hat Johann Joachim Quantz an
der Flöte herumgebastelt, um es salopp zu sagen,
aber es blieb unklar, wohin die Reise gehen
würde. In einem Brief bemerkt Mozart, dass er
die Flötenintonation nicht aushalte. Damals
wurden die Bohrungen der Tonlöcher nicht vermessen,
sondern so in etwa getätigt – erst Theobald
Böhm hat sie wissenschaftlich berechnet.
Zu Mozarts Zeiten wurde man als Flötist in den
verschiedenen Städten und Orchestern mit verschiedenen
Stimmungen konfrontiert, weshalb
man unterschiedliche Mittelstücke zum Auswechseln
hatte. Diese ermöglichten außerdem
das Spielen von verschiedenen Tonarten. Ich
glaube, dass Mozart eine klare Vorstellung davon
hatte, wie der Traum einer Flöte klingt.
Und wie muss man sich diesen Klang vorstellen?
Ich denke, dass es auf jeden Fall ein Holztraversflöten-
Klang ist – sicherlich nicht so laut
und brillant wie die modernen Flöten, aber
durchaus mit der verbesserten Intonation.
Holzflöten klingen dunkler, weicher, erdiger als
moderne Metallflöten, und damalige Traversflöten
waren zudem im Klangcharakter schlanker
und leichter, vielleicht auch holziger als heutige
Holzflöten. Man muss sich auch Gedanken
über die Dynamik machen: Die heute üblichen
Metallflöten sind schlicht zu laut. Als erstmals
in Bayreuth Böhm-Flöten verwendet wurden,
konnte übrigens Richard Wagner den Klang
nicht ausstehen. Die waren ihm viel zu laut, wie
Trompeten.
Mit welchem Instrument haben Sie die CD eingespielt?
Ich spiele auf einer modernen Flöte aus Holz;
sie stammt von der deutschen Firma Mehnert.
Auch das Kopfstück ist aus Holz, die Mechanik
ist aber so, wie es heute üblich ist. Ich komme
ursprünglich von einer modernen Ausbildung,
und vor rund zwölf Jahren bin ich von Silber
über Gold und Platin auf das Holz gekommen.
Damals hatte ich mich beim Probieren aufgenommen
und mir das Ergebnis angehört. Bei
der Holzflöte war mein Spiel für mich am authentischsten,
während ich bei den Metallflöten
stets das Gefühl hatte, dass das mit mir wenig
zu tun hat und außerhalb von mir steht. Das
ist schwer zu erklären, aber deswegen bin ich
auf Holz umgestiegen. Ich bin der erdigen und
dunkleren Klangfarbe des Holzes nachgestrebt,
sonst hätte ich mich nicht dafür entschieden.
Aber man darf nicht vergessen: Eine historische
Traversflöte klingt wieder anders als eine moderne
Holzflöte, und es gibt heute eine fragwürdige
Entwicklung im Holzflötenbau.
Was meinen Sie konkret?
Ich möchte keine Namen nennen, aber einige
Flötenbauer versuchen, Holzflöten zu „optimieren“.
Leider kommen dabei Mogelpackungen
heraus: Außen ist alles aus Holz, aber im
Mundloch sieht man einen Metallkamin. Das
ist nichts Neues, das wurde mitunter schon um
1900 so gemacht. Damals stellten sich viele Orchester
die Frage, ob auf Holz- oder Metallflöten
gespielt werden soll. Die Wiener Philharmoniker
etwa hatten darüber eine Urabstimmung.
In dieser Zeit wurde auch experimentiert – außen
Holz, innen Metall. Und so kann es eben
passieren, dass man eine Holzflöte ausprobiert
und feststellt, dass man sich lieber gleich eine
Metallflöte kauft. Dabei sollte es heute darum
gehen, die Tradition des Holzflötenbaus zu bewahren.
In den Flötenkonzerten von Mozart greifen Sie
auf Kadenzen des Pianisten Helmut Deutsch
zurück. Warum?
Das ist eine persönliche Geschichte. Ich habe
bei Wolfgang Schulz studiert, beide sind sehr
gut befreundet und waren auch Kammermusikpartner.
Manchmal habe ich bei Konzerten umgeblättert.
In den 1970er Jahren hat Wolfgang
Schulz mit dem Mozarteumorchester unter
Leopold
Hager alle Werke für Flöte und Orchester
von Mozart eingespielt; dafür hatte ihm
Helmut Deutsch die Kadenzen geschrieben. Sie
gefallen mir, weil sie nicht den Solisten präsentieren,
sondern eher als Reflexionen mit improvisatorischem
Charakter zu verstehen sind.
Für die CD wurde auch das Flötenkonzert
C‑Dur von Johann Baptist Wendling eingespielt,
der zum Kreis der Mannheimer Schule
gehörte. Es ist bekannt, dass Mozart ein Flötenkonzert
von ihm instrumentiert hat. Beschränken
sich die Verbindungen zwischen Wendling
und Mozart darauf?
Ich glaube, dass ihre Begegnung in Mannheim
die Flötenliteratur insgesamt und das Verhältnis
von Mozart zur Flöte maßgeblich geprägt hat.
Man weiß, dass beide großen Respekt voreinander
hatten. Auch die Beziehung zu Wendlings
Frau – die Sopranistin Maria Dorothea Wendling-
Spurni, für die Mozart ebenfalls komponierte
und die bei der Uraufführung des Idomeneo
die Partie der Ilia gestaltete – spielte eine
große Rolle. Man merkt, dass Mozart schon
nach der ersten Begegnung mit Wendling die
Flöte anders einsetzte.
Lässt sich behaupten, dass es Wendling war, der
– um es mit Végh zu sagen – Mozart wissen ließ,
wie die Flöte klingen sollte?
Ich glaube, dass Wendling in der Tat Mozart
eine neue Vorstellung vom Flötenklang vermittelt
und Mozarts Vorbehalte gegenüber der
Flöte relativiert hat. Ab diesem Zeitpunkt setzt
Mozart die Flöte in seinen Partituren teilweise
sogar solistisch ein.